Im Zeichen des Highlanders
schlanken Schultern legte, eilte er mit ihr zu seinem Haus. Sobald er sie in die Wärme gebracht hatte, würde er sie noch genau mustern können. Belustigt stellte er fest, dass sie seinen Umhang hochheben musste, um nicht darüber zu stolpern. Sie reichte ihm kaum bis zur Achselhöhle.
Als er sein Heim betrat, ignorierte Payton das Staunen auf dem narbigen Gesicht seines Dienstmannes, dem starken Ian. Der Zustand, in dem er die Frau anbrachte, war schon verblüffend genug, doch Payton vermutete, dass der Mann viel mehr davon überrascht war, dass er sie überhaupt in sein Haus brachte. Keine seiner Frauen durfte die Schwelle überschreiten, in keinem seiner Wohnsitze. Dies war ein altes Gesetz, eines, an das er sich treu und redlich hielt. Wurden ihm deswegen von Familienmitgliedern oder Freunden Fragen gestellt, rechtfertigte er sich schlagfertig damit, dass er nicht sein eigenes Nest beschmutzen wolle. Payton hegte den großen Verdacht, dass darin mehr Wahrheit lag, als er zugeben wollte.
»Aber ich muss mit Euch sprechen«, protestierte das Mädchen, als Payton dem starken Ian und seiner Frau Klein-Alice befahl, dafür zu sorgen, dass sein Gast ein Kaminfeuer, ein heißes Bad und trockene Sachen erhielt.
»Wenn Ihr sauber und aufgewärmt seid, könnt Ihr mich in der großen Halle treffen«, versicherte ihr Payton. »Wie lautet Euer Name?«
»Kirstie, aber meine Brüder nennen mich Schatten.«
Angesichts ihrer lautlosen Bewegungen und der Mühelosigkeit, mit der sie sich versteckte, wunderte Payton das nicht. Er schob sie auf Klein-Alice zu und ging, um sich mit Bier und Essen zu versorgen. Neugierde brandete in Payton auf, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Geschichte als auch hinsichtlich ihres Aussehens in sauberem und trockenem Zustand. Hoffentlich war sie dessen wert, was er aufgegeben hatte, denn mit Hilfe von Lady Fraser hätte er eine ziemlich lang anhaltende Epoche der Enthaltsamkeit beenden können.
***
Kirstie fuhr zusammen, während Klein-Alice ihre noch immer feuchten Haare entwirrte. Sauber, so gut wie trocken und gut durchwärmt von dem heißen Bad und dem Feuer, fühlte sie sich besser. Es fiel ihr leichter, die Blutergüsse und Schürfwunden, die ihr der Überlebenskampf eingebracht hatte, zu ignorieren; viele davon wurden durch das warme Bad und die wohlriechende Salbe, die ihr eine kopfschüttelnde Klein-Alice aufgetragen hatte, gelindert. Sie fragte sich, woher wohl das saubere und trockene Kleid stammen mochte, unterdrückte aber streng ihre Neugierde. Kirstie sah sogar vergleichsweise gelassen der vor ihr liegenden Konfrontation mit Sir Payton entgegen.
»So, Mädchen«, murmelte Klein-Alice, die Andeutung eines Lächelns erhellte den ansonsten mürrischen Ausdruck auf ihrem rundlichen Gesicht. »Ihr seid jetzt so weit, mit Sir Payton zu sprechen. Ich will nur sichergehen, dass man genug Essen aufgetischt hat.«
Der unterschwellige Hinweis, dass Kirstie es dringend nötig hatte zuzunehmen, war unmissverständlich, und Kirstie seufzte insgeheim, während sie Klein-Alice zur großen Halle folgte. Ihr war bewusst, dass sie inzwischen eher dünn als schlank war, denn ihr Gatte liebte es, sie zu isolieren und zu langem Fasten zu zwingen, um sie gefügig zu machen. Es verletzte allerdings die letzten Fetzen von Eitelkeit, an die sich Kirstie geklammert hatte, dass ihr trauriger Zustand nun öffentlich sichtbar wurde. Dass dies viel ändern würde, bezweifelte sie allerdings, stand ihr nun doch ein Kampf um ihr Leben bevor. Regelmäßige, sättigende Mahlzeiten mochten nicht nur eine Seltenheit sein, sondern durften auch keinen Vorrang vor ihrem eigenen Leben und dem Leben der Unschuldigen, die sie zu schützen suchte, haben.
Gerade als Kirstie sich straffte, um Sir Payton entgegenzutreten, führte Klein-Alice sie festen Schrittes in die große Halle und direkt auf Sir Payton zu. Er stand auf, verbeugte sich leicht, und unverzüglich wurde sie auf den Platz neben ihn gesetzt. Klein-Alice stellte eine große Menge Essen vor sie hin und entfernte sich. Angesichts des schnellen Übergangs von der Vorbereitung auf dieses Aufeinandertreffen zur Begegnung selbst fühlte sich Kirstie fast benommen.
Sie trank einen Schluck Bier und beobachtete Sir Payton vorsichtig. Gerede über ihn gab es in Hülle und Fülle, aber abgesehen von dem einen oder anderen flüchtigen Blick, den sie auf diesen Mann geworfen hatte, hatte sie ihn nie eingehend betrachten können. Daran hatte sich auch nichts geändert,
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