Im Zeichen des himmlischen Baeren
verletzte Eitelkeit das Verhängnis über uns hereinbrechen würde; dass in jeder Stunde, die verging, das Netz sich enger um uns zusammenzog. Ich saà in Gedanken versunken auf einer Matte. Neben mir stand ein kleines Holzkohlebecken, in dem wohlriechende Holzstücke brannten. Sie parfümierten die Luft und hielten die Moskitos fern. Meine Augen waren auf den König gerichtet, der sich auf dem Achterdeck mit seinen Generälen beriet. Itzuse stand an seiner Seite und lauschte aufmerksam seinen Worten. Iri trug den Bronzehelm mit dem Hirschgeweih. Sein goldbestickter Umhang, der mit Jadespangen an den Schultern gehalten wurde, wogte wie ein prächtiges Gefieder. In seinem trotzigen Gesicht wirkte der Mund hart und grausam.
Auch du spürst die Angst der Männer, dachte ich, und vielleicht empfindest du sie sogar selbst. Aber du erkennst auch die Vorteile, die dir daraus entstehen, und hast sie vielleicht sogar eingeplant. Jeder - vom Rudersklaven angefangen bis zum Befehlshaber - wird so dazu getrieben werden, seine Kräfte voll einzusetzen. Du hast eine verwegene, aber keineswegs unüberlegte Entscheidung getroffen. Wenn deine Streitmacht in fortdauernde Schlachten mit den Ainu verwickelt ist, werden Jahre vergehen, bis du den Durchbruch zur Ostküste erreichst. Ein blitzartiger, siegreicher Vorstoà hingegen wird deine angeschlagene Ehre retten und zugleich die Ainu dermaÃen einschüchtern, dass sie vor weiteren Angriffen vorläufig zurückschrecken. Dies wiederum wird dir ermöglichen, das Gebiet rund um den Yodo-Fluss, die Hauptschlagader des östlichen Inselreiches, in deinen Einflussbereich zu bringen. Du wirst das Land in Bezirke aufteilen, zuverlässige Männer in Verwaltungsposten einsetzen und weiterziehen, ohne einen Dolchstoà in den Rücken befürchten zu müssen â¦
Die Sonne sank feuerrot. Die Schilffläche funkelte wie Gold. Bald brach die Dämmerung herein; man brachte die ersten Fackeln. Nach und nach spürte ich, wie eine seltsame Unruhe mich erfasste. Ich fror trotz der Hitze und rückte näher an das Kohlebecken. Der duftende Rauch der Holzkohle drang mir in die Lungen. Formen und Farben vermischten sich. Die Gesichter schwankten vor meinen Augen. Schweià brach mir aus allen Poren. Ich dachte: Was ist denn mit mir? Das Blut rauschte und pochte in meinen Ohren. Unbestimmte Erinnerungen stiegen in mir hoch: Ich kannte dieses Gefühl, ich hatte es schon früher gehabt ⦠Und plötzlich wusste ich: Die Gottheit schickte mir ein Zeichen! Mein verstörter Blick hastete suchend in alle Richtungen. Meine Nerven vibrierten, ich rang nach Luft. Da! Ein wild flatternder Schatten huschte über das Deck. Es war ein Vogel, eine Eule vermutlich, die das Licht angezogen hatte. Das verirrte Tier stieà gegen die Segelbahnen, verfing sich in den Tauen. Ein Seemann trat hinzu, um es zu verscheuchen. Plötzlich fand der Vogel wieder den Weg in die Freiheit. Er schwang sich mit kräftigem Flügelschlag zum Achterdeck hinüber und schwebte auf die versammelten Offiziere zu. Im Fackellicht schien mir sein Schatten zu riesenhafter GröÃe anzuwachsen, und da wusste ich, dass es der Schatten des Todes war. Mit ausgebreiteten Schwingen verharrte der Vogel eine Weile über den Männern, und ich sah, wen der Schatten bedeckte. Ein Aufschrei entfuhr meinen Lippen. Schon glitt der Vogel pfeilschnell davon und tauchte mit seinem Schatten in die glühende Nacht.
Das Schiffsdeck begann zu kreisen. Der Himmel wurde schwarz: Ich verlor das Bewusstsein.
Jemand hob behutsam meinen Kopf, setzte eine Schale an meine Lippen. Ich schlürfte den dampfenden, leicht bitteren Tee. Mühsam schlug ich die Lider auf. Ein Gesicht kam und ging über mir - ich erkannte meine Dienerin Maki. Ich lag an Deck auf einer Matte. Ein Luftzug streichelte meine Haut; das Wasser schlug plätschernd gegen die Schiffsplanken. Ein dumpfer Schmerz pochte noch immer an meinen Schläfen und hinter meiner Stirn. Von irgendwoher drang die Stimme des Herrschers an meine Ohren: »Ihre Majestät, die Königin, fühlt sich nicht wohl. Man trage sie behutsam in ihr Gemach.«
Ich bewegte mühsam die Lippen. »Nein! Wartet noch â¦Â«
Maki trocknete mir Gesicht und Hände mit einem heiÃen Tuch, danach fühlte ich mich besser. Ich versuchte, mich aufzurichten. Maki glitt hinter mich und half mir. Ich schwankte und sie stützte
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