Im Zeichen des himmlischen Baeren
Höflichkeit.
»Verzeiht, Majestät, das beschwerliche Zustandekommen unserer Begegnung und nehmt unseren Dank entgegen für den gewährten Empfang.«
Iri verbarg seine Ãberraschung und zum Teil auch sein Missfallen hinter einem unbewegten Gesicht. Die üblichen BegrüÃungsworte kamen huldvoll und distanziert über seine Lippen.
Nagasume Tomi verneigte sich von Neuem und wandte sich mir zu. Sein Blick aus den tiefen Augenhöhlen schien aus weiter Ferne zu kommen.
»Lange Zeit ist vergangen, Toyo-Hirume-no-Mikoto, seitdem wir uns das letzte Mal sahen, und vieles hat sich inzwischen ereignet. Vergebt mir, dass ich Euch nicht mit allen Ehren, die der Tochter der Sonnenkönigin gebühren, in meinem Haus empfange, aber die Umstände hindern mich daran.« Er holte tief Atem und seine dunkle Stimme wurde noch dunkler und eindringlicher. »Wenngleich sich unsere Wege auch trennen, so könnt Ihr doch allzeit gewiss sein, dass ich die Bande des Blutes weder vergessen noch verleugnen werde â¦Â«
Bei diesen Worten schmerzte mir das Herz, denn ich spürte, dass er seine Wahl bereits getroffen hatte. Doch ich zwang meine Augen, fest zu blicken, während ich mich verneigte und sprach: »Habt Dank für Euer Vertrauen, Nagasume Tomi.«
Man brachte Kissen und heiÃen Tee. Nagasume Tomi nahm unter dem Baldachin Platz, während sich der Jüngling abseits mit untergeschlagenen Beinen niederlieÃ. Es war drückend heià und windstill. Kein Geräusch, auÃer dem leichten Plätschern des Wassers, verriet die Anwesenheit der unzähligen Boote, die das Schiff umringten. Iri saà auf einem erhöhten Platz, stolz, gebieterisch, schön. Sein goldbestickter Ãberwurf funkelte. Ich kniete an seiner Seite und fächelte mir Luft zu. Ich spürte, wie eine SchweiÃperle mir langsam über die Schläfe rann.
Iri lieà absichtlich die üblichen Höflichkeitsformeln beiseite und kam sofort zur Sache.
»Wir unternehmen diesen Feldzug zu Ehren der GroÃen Erlauchten Kami Amaterasu, Herrscherin des Lichtes und Quell allen Lebens. Unser Ziel wird sein, ihr am Ufer des Ostmeeres ein Heiligtum zu errichten. Unser Weg führt den Yodo-Fluss hinauf, bis nach Shirakata. Von da aus gedenken wir den Berg Ikoma zu umgehen und das Land unter unsere Kontrolle zu bringen. Wäret Ihr bereit, Nagasume Tomi, uns im Namen der Göttin als unser treuer Vasall zur Seite zu stehen?«
Nagasume Tomi hielt die Lider halb geschlossen, doch seine Augen wichen nicht von Iris Gesicht. Der Bogen lag auf seinen Knien. Er wies den Teebecher zurück, den ihm ein Offizier mit gesenktem Kopf anbot, und sprach: »Der Mensch ehrt die Götter auf seine Weise, doch weder unermessliche Stärke noch unermessliche Weisheit können ihm selber Göttlichkeit verleihen. Wie also kann der Mensch darüber entscheiden, nach welcher Ehre die Gottheit verlangt?«
Ich spürte, wie Iri sich nur mit Mühe beherrschte, als Nagasume Tomi seine Frage mit einer Herausforderung beantwortete. So sagte ich beschwichtigend: »Das betrifft den Menschen und sein Gewissen. Jedem Einzelnen ist freigestellt zu wählen.«
Nagasume Tomi nickte feierlich. »Wie in allen Dingen.« Seine Augen schimmerten warm: Wir verstanden uns.
Doch Iri lag nicht daran, Zeit zu verschwenden, und er fiel ihm barsch ins Wort. »Soll das bedeuten, Nagasume Tomi, dass Ihr unserer Bitte nicht entgegenkommt?«
Das warme Leuchten erlosch in Nagasume Tomis Augen. Sein Gesicht wurde finster und kalt wie ein winterlicher Berg. Er verneigte sich und sprach: »Verzeiht, Majestät, wenn mein Gewissen mich zwingt, sie abzulehnen.«
Iris Faust ballte sich um den Schwertgriff. Ich spürte, wie der Zorn, der von ihm ausging, mich fast körperlich berührte. Schwer atmend stieà er hervor: »Ãberlegt Euch Eure Worte reiflich, bevor der Zorn der Göttin über Euch hereinbricht. Wir sind im Besitz der heiligen Waffe, des Symbols des Sieges.«
Nagasume Tomi erwiderte fest und hart seinen Blick. »Hattet Ihr nicht einst im Namen der Gottheit geschworen, sie niemals für unehrenhafte Zwecke zu verwenden?«
Totenstille. Itzuses Hand griff zum Schwert. Yi-Am hatte das seine bereits umfasst, obwohl sich kein Muskel in seinem Gesicht regte. Ich senkte den Fächer. Das Blut pochte ungestüm in meinen Adern. Ich sah den gelben Baldachin über mir leuchten, und die blendende
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