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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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blutrot und feindselig. Der Mann, der sich der Waffe bemächtigt hatte, war nicht ihr Herr. Der König jedoch, von Genugtuung erfüllt, berauscht von der Machtgier, die in seinen Adern pochte, merkte von alledem nichts. Er befahl, Reiswein zu bringen, und die Männer tobten vor Begeisterung.
    Der steigende Lärm zerrte an meinen überreizten Nerven. Die Fackeln flackerten. Die bleichen Gesichter der Priesterinnen verschwammen in der Dunkelheit wie Gestirne, die ihre Bahnen hinter finsteren Wolkenschleiern ziehen. Das Stampfen, das Geschrei, das Klirren der Schwerter gegen die Schilde steigerten sich ins Unerträgliche. Es war die Stimme des Todes, aber keiner verstand sie. Verzweifelt betete ich zur Gottheit: »Ein Frevel ist hier geschehen, aber verlasse uns nicht! Beschütze jene, die ihn nicht begangen haben, denn wir alle leben in deiner Hand …« Das Gebet brachte mir keine Erleichterung, und ich wusste, dass es nutzlos war. Lähmende Schwäche überfiel mich. In meiner Hoffnungslosigkeit merkte ich kaum, dass ein Name wie ein Hilferuf über meine Lippen drang. Erst als sich die stillen Augen der Priesterinnen auf mich richteten, wusste ich, dass ich laut gesprochen hatte, und ich wandte entsetzt mein glühendes Gesicht ab.

3
    I n der Nacht bezog sich der Himmel. Der Fluss war finster und glatt wie ein See; es roch nach Salz, Tang und modriger Erde. Kurz vor Tagesanbruch begann es zu regnen. Zuerst fielen die Tropfen vereinzelt und leise und gingen dann in anhaltendes Rieseln über. Ein gleichmäßiges Rauschen erfüllte die Luft. Das Deck wurde glitschig. Die nassen Segel hingen schlaff und schwer herunter. Das erste trübe Licht verbreitete sich über dem Horizont, als Iri den Befehl gab, flussaufwärts zu steuern. Die schwer beladene Galeere lag tief im Wasser; das große Segel am Hauptmast wurde aufgezogen, um die Fahrt zu beschleunigen.
    Von meiner Leibwache umgeben, stand ich auf dem Oberdeck und blickte auf die Schiffe, die uns folgten. Ihre dunklen Umrisse verloren sich im Dunst. Durch den Regenschleier waren die Fackeln, die als Signale dienten, kaum zu erkennen. Ich hatte meinen Harnisch und die ledernen Beinschützer angelegt. Mein Haar war nach Männerart an den Schläfen hochgebunden und ich trug meinen Köcher über der Schulter. Den Bogen hielt ich in der Hand. Hier und da sprühte mir der Regen ins Gesicht. Ich fror und mein Atem ging stockend. Mir war, als steuerten wir unaufhaltsam einer grauenvollen, unbekannten Bedrohung entgegen. Auch die Offiziere auf dem Gefechtsstand waren nervös: Der Regen nahm ihnen die Sicht. Kuchiko stand neben mir, schweigsam wie immer, und seine Ruhe wirkte wohltuend auf meine angespannten Nerven.
    Die Banner waren aufgepflanzt. Kana, der Adler, bewegte sich auf der Stange hin und her. Sein Gefieder schillerte im Regen und seine Halsfedern sträubten sich. Manchmal schüttelte er die nassen Schwingen und fauchte.
    Unter dem Baldachin, der ihn vor dem Regen schützte, beobachtete der König argwöhnisch den Fluss. Die breiten, flügelähnlichen Schultern seines Schlachtüberwurfes verliehen ihm etwas Gebieterisches. Das Sternenschwert, auf das er sich stützte, war ohne Glanz. Neben ihm fingerte Itzuse aufgeregt an seinem Bogen. Seine Augen blitzten vor jugendlicher Streitlust.
    Â»In einer Stunde ist es hell!«, stieß er hervor. »Warum greifen sie denn nicht an?«
    Iris Mundwinkel verzogen sich ärgerlich. »Sie sind dabei, uns eine Falle zu stellen. Bald schlägt sie zu. Und wie meistens bei guten Fallen werden die Eisen blutig werden …«
    Fahl und grau brach der Morgen an. Der Flusslauf verengte sich; die Strömung wurde reißender. Der Trommelschlag wechselte den Rhythmus. Der Wind peitschte die Segel und die Galeere begann zu schaukeln. Verschwommen tauchten die schilfbewachsenen Ufer an beiden Seiten auf. Es schienen wahre Bambuswälder zu sein, die ein undurchdringliches Dickicht bildeten. Iris Augen spähten nach allen Seiten. Kein Muskel bewegte sich in seinem finsteren Gesicht, doch ich spürte seine Wachsamkeit.
    Der Warnruf der Wache auf dem Ausguck hallte über das Deck. Aller Augen richteten sich über die Galionsfigur hinweg auf die dunkle Rauchwand, die sich über das Wasser auf uns zubewegte. Der Rauch ging von einer Anzahl pechbeschmierter, brennender Strohbündel aus, die rasch näher kamen. Durch den Regen, der auf die

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