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Im Zeichen des Schicksals

Im Zeichen des Schicksals

Titel: Im Zeichen des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Hepsen
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Haar, gebräunte Haut und schöne blaue Augen. Auch wenn er, anders als alle anderen zuvor, kein kleines Kind war, spürte ich doch, dass er das Opfer war; derjenige, der gerettet werden musste. Das war ja alles schön und gut, nur dass mir die Vision nicht zeigte, vor wem ich ihn retten sollte! Ich sah nur Zeichen, die mich zu einer Kleinstadt namens East Wendell schickten. Ich sagte mir, dass ein Mensch in Not, ungeachtet seines Alters, eben ein Mensch in Not sei, packte ein paar Sachen zusammen, schrieb einen Zettel für Francesca und Tony und machte mich auf den Weg zum Bahnhof.
    Als ich in East Wendell ausstieg, stürzte erneut etwas auf mich ein.
    Diesmal war es ein Auto. Ich wurde von einem Auto angefahren.

Das Rad des Schicksals
    Manchmal komme ich mir so vor, als sei mein Leben ein verkorkstes Comic-Heftchen und ich die Antiheldin. Ich trage gebrauchte Sachen anstelle cooler Verbrecherjäger-Klamotten, setze eine silberne Statue der Muttergottes ein statt Hightech-Geräten und verfüge über eine Superfähigkeit, die überhaupt nicht super ist. Eigentlich ist es gar keine richtige Fähigkeit. Am ehesten könnte ich es noch Hellseherei nennen; doch bin ich eine wirklich schlechte Hellseherin. Ich meine, was taugt es, in den Karten die Vergangenheit der Menschen zu sehen, wenn ich meine eigene Vergangenheit nicht sehen kann? Und meine Visionen? Zeigen sie mir denn etwas Nützliches wie, nun ja, was weiß ich – zum Beispiel dieses Monstrum von Jeep, das mich gleich überfahren wird? Nein. Oh nein, keineswegs. Warnungen gehören nicht zum Repertoire meiner Fähigkeiten. Meine Visionen führen mich immer nur direkt zu den Dschinn, die mich dann am liebsten schön langsam und mit Genuss umbringen wollen.
    Aber ganz im Ernst: Welche Hellseherin, die etwas auf sich hält, lässt sich schon überfahren , wenn sie noch dazu gerade unterwegs ist, um jemanden zu retten? Das muss ganz bestimmt gegen irgendeinen Kodex verstoßen. Regel Nummer eins im Buch mit dem Verhaltenskodex für Superhelden lautet ohne jeden Zweifel: Wenn du gerade in ritterlicher Tapferkeit irgendjemandem zu Hilfe eilst, so lass dich dabei nicht überfahren!
    Als ich im Krankenhausbett aufwachte, bewies ich der Welt einmal mehr, dass ich definitiv keine Heldin bin.
    »Seit fünf Minuten regt sie sich jetzt schon, Herr Doktor. Hat die Augen bisher noch nicht aufgeschlagen, aber ihr Puls ist gleichmäßig.«
    Die Stimme klang wie aus der Ferne, als käme sie aus dem Nebenzimmer. Irgendetwas zog an der Innenseite meines rechten Arms.
    »Die Röntgenbilder?« Eine Männerstimme. Sie war ein wenig deutlicher als die andere Stimme. Näher.
    Ich begann Dinge wahrzunehmen. Das Laken unter meinen Fingern war kühl, und in der Luft lag ein schwacher Duft von Blumen.
    »Alles in dieser Akte. Keine Brüche, eine Knochenfissur im linken Arm, Prellungen im Bauchraum sowie an Armen und Beinen.«
    Ein sanfter Druck auf meine Lider zwang mich, die Augen zu öffnen. Für einen Moment waren da verschwommene Bewegungen, und dann blendete mich ein grelles Licht. Ich drehte mich etwas, und meine Beine streiften kühle Laken. War ich nackt!?
    »Alles in Ordnung, Celine. Kein Grund zur Sorge.« Die Stimme des Arztes war jetzt ganz klar und deutlich zu vernehmen. Und sie klang freundlich. Seine Finger bewegten sich über meine Stirn, dann nahm er sie weg. Ich verstand nicht, warum er mich Celine nannte, aber es tat sowieso alles viel zu weh, um zu reden. Ich zog die Hand dichter an meinen Körper heran und war erleichtert, den dünnen Stoff eines Krankenhausnachthemds zu fühlen.
    Das helle Licht verschwand, dann erschien das Gesicht des Arztes in meinem Blickfeld. Graumeliertes Haar, Brille mit Drahtgestell, ein komischer kleiner Schnurrbart und ein freundliches Lächeln. Auf seinem Namensschildchen las ich »Dr. Deluca«. Eine Krankenschwester stand rechts von ihm und rückte den Infusionsständer mit dem Beutel zurecht, der über einen Katheter Flüssigkeit in meinen Arm laufen ließ. Das erklärte das Ziehen, das ich zuvor verspürt hatte.
    »Erinnerst du dich daran, was passiert ist?«, fragte der Arzt.
    Was passiert war? Ich erinnerte mich tatsächlich. Vage. Ein silberner Range Rover, ein schreiendes Mädchen und Zement blitzten vor meinem inneren Auge auf.
    »Ein Auto hat mich angefahren.« Meine Stimme war nur ein Krächzen.
    »Ja.« Der Arzt nickte und warf einen Blick auf die Krankenschwester, die einen neuen durchsichtigen Beutel an den Infusionsständer

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