Im Zeichen des Schicksals
hatte alles unter Kontrolle gehabt, aber beim Anblick der gelben Augen in dem wutverzerrten Gesicht war es mir, als stürzte sich Randy von neuem auf mich. Andys Angstschrei riss mich aus meiner Schockstarre, und ich ging auf den Dämon los.
Es war das Dümmste, was ich hätte tun können. Wäre der Dschinn nicht dadurch abgelenkt gewesen, dass Andy zum Haus hinüberrannte, hätte ich vermutlich keine Chance gehabt. So jedoch schaffte ich es, den Mistkerl rückwärts in den Sandkasten zu werfen. Danach ging alles sehr schnell. Die Finger, die sich plötzlich um meinen Hals legten, meine über dem Sand baumelnden Füße, die Muttergottes in meiner Hand und dann dieses schreckliche Zischgeräusch.
Von ein paar fingerabdruckgroßen blauen Flecken um meinen Hals einmal abgesehen, bin ich meiner ersten gefährlichen Begegnung mit einem Dschinn unversehrt entronnen. Ich hatte Glück. In dem Moment, da die Silberstatue den Dämon berührte, brannte sie einen Abdruck von Marias Umrissen auf seine Haut, und plötzlich wurden die gelben Augen blau. Thomas, der sich als Andys Nachbar herausstellte, konnte sich nicht daran erinnern, wie er in den Garten gelangt war oder weshalb er die Finger um meinen Hals hatte. Ich erklärte ihm, er sei von einem Dschinn besessen gewesen und dass er sich Literatur über Dschinn verschaffen müsse, um sich zu schützen. Er war so erschüttert, dass er nicht protestierte, als ich ihm nun das Papier mit dem Siegel des Salomo in die Hand drückte. Dann verließ ich die Greenburg Lane so schnell, wie ich nur konnte.
Einen Dschinn loszuwerden ist nicht immer so einfach. Im Laufe des nächsten Jahres hatte ich zwölf weitere Visionen, jede von einem anderen Kind, das von einem besessenen Erwachsenen misshandelt wurde. Bei meiner zweiten Begegnung hatte sich der Dschinn der Mutter eines sechs Jahre alten Mädchens bemächtigt, und er war viel stärker, als es der erste gewesen war. Stärker und schlauer. Als er mich herannahen hörte, wich er dem Salz aus. Es gelang ihm, mir ein paar ziemlich heftige blaue Flecken zu verpassen, bevor ich ihm die silberne Muttergottes auf die Haut drücken konnte. Das Schlimmste war, dass das Silber ihn zwar in die Knie zwang, doch wollte der Dschinn den Körper der Frau dennoch nicht verlassen. Ich versuchte es mit dem aufs Papier gemalten Siegel des Salomo, aber es funktionierte nicht. Glücklicherweise erfüllte die Beschwörungsformel dann ihren Zweck.
Im Laufe der Zeit bin ich in Sachen Dschinnaustreibung immer besser geworden, vor allem weil ich gelernt habe, das Ganze besonnen genug anzugehen, um tatsächlich einem Plan folgen zu können. Mein Plan besteht aus sechs Punkten: Finden, Siegel, Salz, Silber, Falle, Austreibung. Der erste Punkt erklärt sich wohl mehr oder weniger von selbst. Der zweite besteht darin, das Siegel des Salomo zu zeichnen, das, wie sich herausstellte, nur dann wirkt, wenn es mit Blut gemalt ist. Ich wähle eine Stelle in der Nähe des Dschinns, aber außerhalb seiner Sichtweite, und zeichne den sechszackigen Stern und die sechs ihn umgebenden Kreise auf den Boden. Im dritten Schritt geht es darum, sich dem Dschinn zu nähern und ihn mit Salz zu bewerfen. Wie ich schon sagte, Salz allein reicht nicht aus, aber es erregt immer seine Aufmerksamkeit. Wenn das Salz nichts ausrichtet, werfe ich dem Dschinn die Muttergottes zu, die dann die meisten Dschinn aus reinem Reflex auch auffangen. Wenn das noch immer nicht reicht, um den Dämon verschwinden zu lassen, laufe ich so schnell wie möglich über das Siegel des Salomo, das ich zuvor gezeichnet habe. Sobald der Dschinn auf das Siegel tritt, ist er gefangen und kann keinen Muskel mehr regen. Dann ist es Zeit für die Beschwörungsformel, und – voilà! – das Opfer ist dämonenfrei.
Zwei Jahre lang habe ich mich nun von diesen Visionen leiten lassen. Jedes Mal, wenn sich vor meinem inneren Auge ein Kind in Not zeigte, befreite ich es von seinem Dschinn und hatte das Gefühl, das Richtige zu tun. Mein Leben erschien mir ziemlich geregelt. Ein wenig Schlaf, ein Haufen Arbeit und dann und wann mal eine Dämonenaustreibung. Seltsam zwar, aber geregelt. Dann, um Punkt drei heute Morgen, als ich gerade in die Bäckerei hinuntergehen wollte, um italienisches Fladenbrot mit Rosmarin zu machen, stürzte eine Vision auf mich ein.
Sie begann mit einem langen blauen Zug und endete mit ihm .
Er sah aus, als sei er etwa in meinem Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre älter. Halblanges blondes
Weitere Kostenlose Bücher