Im Zimmer wird es still
so weit kommen zu lassen? Das war Unsinn. Er konnte sich ein Leben ohne Peter nicht vorstellen. Und er wusste ja auch nicht, wie es kommen würde. Ob er selbst eher krank werden oder sterben würde. Ob sie sich aus einem anderen Grund trennten. Ob er Peter immer noch anziehend fände. Er sagte Peter nichts über seine Sorgen, weil er ihn nicht verletzen wollte. Weil er gar nicht wusste, was sie hätten besprechen sollen. Sie wurden älter, Peter wurde älter, das war der Lauf des Lebens.
Mit Peters Befinden wurde es nicht besser. Er bat ihn, zum Arzt zu gehen und sich untersuchen zu lassen. War entsetzt zu hören, dass Peter nie zur Vorsorge ging. Was solle er beim Arzt. Er sei ja immer gesund. Auch im neuen Jahr änderte sich nichts. Peter war ständig müde, schlief schlecht und musste nachts häufig aufs Klo.
Als Peter mehrmals sein Geschäft eher schloss, begann er ihn wegen des Arztbesuches zu drängen. Ohne Erfolg.
Dann bekam Peter Rückenschmerzen. »Ischias«, wie er sagte. Er blieb zu Hause und überließ seiner Angestellten das Geschäft. Er sah, wie Peter abbaute, dünner wurde. Und er ging immer noch nicht zum Arzt. Der Schmerz würde vergehen, er müsse nur liegen, ein Arzt könne da auch nichts machen.
Er redete auf ihn ein, schimpfte, aber Peter blieb uneinsichtig. Er ging zur Arbeit, machte den Haushalt, kümmerte sich um Peter und sorgte sich. Schlief schlecht und hatte oft Kopfschmerzen. Eines Abends fand Peter ihn zusammengesunken und halb bewusstlos im Bad und versprach erschrocken und reuig, am nächsten Tag zum Arzt zu gehen.
Der Arzt schickte Peter noch am selben Tag ins Krankenhaus. Dann ging alles ganz schnell.
Er tastet in der Dunkelheit nach Peter, bis ihm einfällt, dass er nicht neben ihm in Bett liegt. Öffnet die Augen, versucht die Erinnerung abzuschütteln. Es ist schon hell im Zimmer, Sonnenlicht drängt durch die Vorhänge. Peter schläft noch. Er steht leise auf und geht ins Bad. Zieht sich gleich an, um die Schwester nicht wieder im Bademantel zu empfangen. Geht zurück ins Wohnzimmer, zieht die Vorhänge auf, küsst Peter und macht Frühstück.
Danach macht er Ordnung auf dem Nachtschränkchen und nimmt Peter das Tablett ab.
»Bleib mal hier.«
»Ich will erst mal abräumen. Und dann muss ich …«
Peter lacht ihn an. »Na komm«, streckt die Hand aus. Er stellt das Tablett ab, nimmt seine Hand, setzt sich auf die Bettkante. Streicht über Peters Finger, die ganz kalt sind.
»Soll ich dir die Nägel schneiden?«, schlägt er vor.
»Eigentlich wollte ich … na gut.«
Er holt eine Nagelschere und ein Handtuch, setzt sich wieder hin, schneidet die Nägel an Peters linker Hand kurz und feilt sie glatt.
»Danke.«
Er beugt sich vor und küsst Peter. Lächelt ihn an. So sitzen sie ein paar Minuten, während er Peters Hand hält. Die Klingel stört sie.
»Wird die Schwester sein. Wenigstens bin ich angezogen.«
»Ja, da entgeht ihr was.«
Er lacht, öffnet die Tür und führt Schwester Annegret ins Wohnzimmer.
»Guten Morgen«, sagt sie, als sie zu Peter ans Bett tritt. Dann dreht sie sich zu ihm um: »Oh, Sie machen Ihrem Mann gerade Maniküre.« Es scheint, als hat sie Freude daran gefunden, Peter als seinen Mann zu bezeichnen, der Satz fließt ihr ohne das geringste Zögern von den Lippen.
»Ja. Ich räum’s mal weg, müssen wir eben später weitermachen.«
»Ach. Machen Sie das nur fertig. Ich hol schon mal Wasser.«
Er setzt sich auf Peters andere Seite und kümmert sich um seine rechte Hand. Die Schwester legt währenddessen alles bereit und erzählt von ihrem Mann, der schon Rentner ist und jeden Tag Pilze sammelt, sodass sie mit dem Putzen kaum nachkommt. Aber gestern Abend saß er da und putzte die Pilze selbst, er hat es sich von der Nachbarin zeigen lassen.
»Ich kann Ihnen ja auch mal frische Pilze mitbringen.«
»Ja, gern.«
»Wissen Sie, wie man die zubereitet?«, fragt Schwester Annegret.
»Ja, ich habe ein sehr leckeres Rezept für Pilze im Kartoffelmantel.«
»Ich schicke meinen Mann mal bei Ihnen vorbei. Ich glaube, er kann noch viel von Ihnen lernen!«
Er beendet die Maniküre, küsst den verdutzten Peter und überlässt der Schwester das Feld. Sie zieht Peter das Hemd aus. Er nimmt ein frisches aus dem Schrank und legt es bereit. Dann holt er eine Mülltüte für die benutzte Windel. Die Schwester wäscht Peter, bittet ihn um Hilfe beim Drehen. Er fasst Peter am Arm und an der Schulter und zieht ihn zu sich. Dann hält er Peter, während
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