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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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mal etwas Unterstützung von männlicher Seite bekommen könnte. »Okay, sie hat dich rausgeschmissen. Dann ist sie sauer auf dich, weil du irgendetwas Schlimmes gemacht hast?«
    »Sonst würde ich ja wohl kaum seit Stunden durch St. Pauli laufen und nicht wissen, wo ich schlafen soll«, antwortete er schroff, merkte, dass ich das nicht verdient hatte, und rieb sich die müden Augen. »Es tut mir echt leid, dich so zu überfallen. Aber ich konnte sonst nirgendwohin.«
    Ich legte meine Hand in einer, wie ich fand, beruhigenden Geste auf seine. »Das ist total in Ordnung. Dafür sind Freunde ja da.«
    Er nickte müde. »Weißt du, was mich an dieser Sache fast am allermeisten nervt?«
    »Dass du deine Orks zurücklassen musstest?«
    Hannes redete einfach weiter, als hätte er meinen schlechten Witz nicht gehört. »Wenn sie irgendeinen Scheiß gebaut hätte und wir uns ihretwegen getrennt hätten, hätte trotzdem ich gehen müssen.« Er schüttelte ernüchtert den Kopf. »Es ist nie die Frau, die nachts über den Kiez irrt und nicht weiß, wohin.« Ich schob die Unterlippe vor und kommentierte das nicht weiter. »Dabei geht es mir doch auch total beschissen. Ist ja nicht so, als hätte ich gerade die Zeit meines Lebens.«
    »Klar.« Ich wagte einen erneuten Versuch, der Sache auf den Grund zu gehen. »Aber was genau ist denn passiert?«
    Hannes zog den Teebeutel aus der Tasse, hielt Ausschau nach einem Ort, an den er ihn tun konnte, fand nichts in der Nähe und ließ ihn frustriert wieder in die Tasse plumpsen. Dann vergrub er seinen Kopf in den Händen. »Ich hab es nicht mehr ausgehalten.«
    »Was hast du nicht mehr ausgehalten?«
    »Sie!« Er sah mich so aufgebracht an, dass ich unwillkürlich ein bisschen vor ihm zurückwich. Zu meiner Erleichterung entspannte sich sein Gesicht aber einen Moment später und zeigte wieder denselben jammervollen Ausdruck, mit dem es schon ausgestattet gewesen war, als Hannes durch meine Wohnungstür gekommen war. Die pure Tristesse.
    Ich ließ ein paar Sekunden vergehen, um sicher zu sein, dass sich Hannes’ Gemütslage stabilisiert hatte. »Hä?«
    Er seufzte. »Versteh mich nicht falsch: Ich liebe sie. Sehr. Wirklich.« Er sah aus, als würde er gleich weinen. »Aber es gibt ein paar Dinge in unserer Beziehung, die mich wahnsinnig machen. Ständig will sie wissen, was ich mache, wo ich bin und mit wem. Sie nennt mich Bärchen. Vor Zeugen!« Das stimmte, aber daran hatten wir uns inzwischen eigentlich alle gewöhnt. Ich lachte nur noch ungefähr jedes dritte Mal, wenn ich es hörte. »In der Wohnung gibt es keine Wand mehr, an der nicht ihre Malen-nach-Zahlen-Bilder hängen«, fuhr Hannes fort, nur um gleich wieder eine dramatische Pause einzulegen, die die Schwere des nächsten Vergehens unterstreichen sollte. »Sie kommt ins Badezimmer, wenn ich auf dem Klo sitze!«
    »Okay, ich kann mir vorstellen, dass …«
    »Und ständig, mehrmals täglich, redet sie vom Heiraten. Vom Heiraten und Kinderkriegen. Und je länger das so geht, desto dringender will ich weg. Ich kann das nicht … für den Rest meines Lebens. Sie ist wunderbar, sie ist süß und gut und treu. Aber sie ist schlimmer als meine Mutter!« Er schüttelte den Kopf, als wollte er den Wahnsinn loswerden. »Der einzige Unterschied zwischen Lucy und meiner Mutter ist, dass meine Mutter mich nicht heiraten will.«
    Ich sah ihn irritiert an. Er hob abwehrend die Hände. »Nein, also, nicht, dass ich mir wünschen würde, dass meine Mutter mich heiraten will, ich meine, das wäre überaus seltsam. Und falsch. Und … Ach, du weißt doch, was ich meine …«
    »Ich denke schon«, sagte ich. Aber bis jetzt hatte Hannes keinen Grund genannt, weshalb Lucy ihn verlassen haben könnte. Eher hatte ich den Eindruck, dass Hannes ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hatte, die Beziehung zu beenden, doch sie war ihm zuvorgekommen. Warum? Ich nahm einen Schluck Tee. »Vielleicht renkt sich ja alles wieder ein? Morgen sieht die Welt sicher ganz anders aus.« Jetzt klang ich wie meine eigene Mutter. Wir Frauen wurden alle irgendwann Mütter. Selbst wenn wir keine Kinder bekamen. »Du kannst ja noch einmal mit ihr reden. Ich bin mir sicher, sie will sich von dir eigentlich genauso wenig trennen wie du dich von ihr.«
    Hannes schüttelte langsam den Kopf. »Sie will nicht mit mir reden.«
    Ich lachte. »Quatsch. Lucy will immer reden.«
    »Nein. Nicht mehr. Nicht mit mir. Es gibt da noch was anderes.« Jetzt endlich nahm Hannes den Teebeutel

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