Im Zweifel suedwaerts
dieses Tortenthema. »Ja, was soll ich denn bitte dazu sagen?«, redete Betty weiter. »Alles Quatsch, mein Schatz. Das könnt ihr eigentlich gleich bleibenlassen, diese Streitereien. Ihr wohnt jetzt zusammen, dann heiratet ihr, dann kriegt ihr Kinder. Oder, nein, von mir aus auch ohne heiraten, ich bin da nicht so konservativ eingestellt, wie du weißt. Von mir aus könnt ihr auch gleich Kinder machen, das fänd ich eigentlich ganz gut. Jedenfalls, da es das ja jetzt nun mal ist, müsst ihr euch gar nicht streiten. Das ist die reine Zeitverschwendung.«
»Da es das jetzt nun mal ist?«
»Ja, das ist es jetzt nun mal. Ist doch so.«
»Klingt deprimierend.«
»Du liebst Richard, er liebt dich, ihr bleibt für immer zusammen, was ist denn bitte daran deprimierend?«
»Wir streiten uns ein bisschen zu oft für meinen Geschmack, und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich Bock darauf hab, das ›für immer‹ mitzumachen …«
»Ihr seid jetzt eben seit zwei Jahren ein Paar, da gibt’s langsam Risse im Zuckerguss.«
»Betty, bitte, keine Tortenvergleiche.«
»’tschuldigung. Also, was ich sagen will ist: Das ist eben irgendwann nicht mehr so wie mit sechzehn. Verknallt sein und so, das ist baybeierleicht. Aber irgendwann geht es in Sachen Liebe eben ans Eingemachte. Und dann kommen so Fragen auf den Tisch wie ›Verbringen wir unser Leben miteinander bis wir in der Erde verrotten, oder was?‹ oder ›Kriegen wir jetzt Kinder oder gleich oder nie und wie viele überhaupt?‹. Mehr Druck, weniger Illusionen. Und Schwuppdiwupp ist der Glitzerlack ab. Dann läuft es auch mal scheiße, aber das ist eben Liebe für Erwachsene. Rohe Liebe, die harte Tour. Du kannst das nicht wissen, weil du ja immer nur an so Kurzgeschichten dran gewesen bist. Du warst ja immer nur verknallt, allerhöchstens. Und kaum gab es die ersten Kratzer auf der glänzenden Oberfläche, war es auch schon wieder vorbei. Aber lass dir das von jemandem sagen, der seit neun Jahren mit ein und demselben Mann …«
»Du und Mo habt auch immer nur Kurzgeschichten miteinander«, korrigierte ich sie. »Der einzige Unterschied zwischen dir und mir ist, dass du dich immer wieder von demselben Typen verarschen lässt.«
Betty lächelte nachsichtig. »Schlaf du dich erst mal ordentlich aus.«
Ein Tor fiel, und der Laden brach in ohrenbetäubendes Gejohle aus. Max machte mit und hielt sich gleichzeitig die Ohren zu. Seine Mutter tätschelte ihm stolz den Kopf. »Wenn der Winter kommt, kauf ich ihm seinen ersten Pauli-Schal.«
»Richtig so.«
»Einmal Currywurst, Pommes, Mayo!«, rief die Frau am Tresen, und ich kämpfte mich durch die Menschenmasse zu meiner Bestellung durch und dann mit dem vollen Teller und äußerster Vorsicht wieder an meinen Platz zurück.
»Ich hab vorhin mit Sky telefoniert. Er stellt den Bus am Freitagabend hier an der Ecke ab, bringt mir den Schlüssel, dann holen wir ihn Samstagvormittag, laden ein, und am Nachmittag heißt es dann: Bon voyage!«
Ich nickte und kaute und sagte mit vollem Mund: »Sehr gut.«
»Die Torte ist im Gefrierfach. In meinem. Und in Mos. Und in meinem Kühlschrank. Und in Mos Kühlschrank. Das Ding war riesig.«
»Ich weiß.«
»Dass das niemandem aufgefallen ist …«
»Betty, bitte, lass uns nicht mehr darüber reden, ich fühl mich eh schon mies genug.«
»Aber essen musst du sie. Oder wir verschenken sie unterwegs. Das fänd ich auch ganz gut. Der Kuchenexpress. Oder: das Tortentaxi. Falls wir einen Anhalter mitnehmen, oder so.«
Ich ließ von den widerspenstigen, harten Pommes ab, die sich nicht mit der Gabel aufpieksen lassen wollten, und sah Betty skeptisch an. »Anhalter?«
»Klaro.«
»Nee, Betty.«
»Wie, nee?«
»Ich möchte keine Anhalter mitnehmen. Die sind mir unheimlich.«
Betty drückte Max drei Pommes in die Hand und machte dann ein sehr, sehr ernstes Gesicht. »Schätzelein. Ich möchte dir eine Frage stellen: Wenn du mutterseelenallein an irgendeiner Raststätte in Belgien stehen würdest, wie würdest du dich dann fühlen, wenn ein großer, gemütlicher VW -Bus voll mit Torte vorbeikäme, in dem mehr als genug Platz für dich wäre, der dich aber nicht mitnimmt, weil die herzlose Beifahrerin sagt, du wärst unheimlich? Und dabei hast du selber Angst, weil du ja schließlich in Belgien bist …«
»Wahrscheinlich würde ich das ungerecht finden, ja, fies und gemein. Vielleicht hätte ich aber auch Verständnis für die vorsichtige, sehr vernünftige Beifahrerin und
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