Im Zweifel suedwaerts
zum Klo nicht ständig Gefahr lief, mir beim Fallen über die Farbeimer das Genick zu brechen. Wenn er endlich zwei Wochen seiner Zeit dafür opferte, in denen wir nebeneinander an irgendeinem Strand dieser Welt in der Sonne herumlagen … Ich hätte die Reihe endlos fortführen können. Womit klar war: Hier ging es um unerfüllte Wünsche. Meine Wünsche. Die gute Nachricht war: Wurden diese Wünsche irgendwann endlich erfüllt, konnte ich einen Haken dahinter machen, und alles war gut. Die schlechte: Ich fühlte mich ein bisschen wie das Kind auf dem Spielplatz, das immer Bestimmer sein will und heulend zu Mutti rennt, wenn es seinen Willen nicht bekommt. Das Problem: Niemand mag dieses Kind, nicht einmal Mutti.
Mein Freund stellte die Flasche auf dem Kühlschrank ab und strich mir über den Kopf. »Es ist gut, dass du nächste Woche in den Urlaub fährst.«
»Weil du dann deine Ruhe vor mir hast?«
»Nein. Weil ich glaube, dass du ein bisschen Entspannung bitter nötig hast.« Ein liebevoller Blick und ein Kuss auf die Stirn. »Schade, dass ich nicht freinehmen kann, sonst würde ich mitkommen.«
»Ja, schade«, sagte ich so neutral wie möglich, um zu vermeiden, dass es wegen dieses explosiven Themas wieder zu einem Streit kam, »aber so ist es jetzt nun einmal.«
»Ich kann ja in der Zeit die Wohnung weiter renovieren«, bot Richard an.
»Ha!«
»Du glaubst mir nicht?« Er verschränkte in gespielter Empörung die Arme vor der Brust. »Meine Liebe: ein Mann, ein Wort. Das ist der Ehrenkodex, nach dem ich lebe.«
»Soso.« Ich klappte die Leiter zusammen und legte den Deckel auf den Farbeimer. »Tja, also wenn das so ist, dann lasse ich mich überraschen. Und falls du Hilfe brauchst, frag Hannes. Der schuldet uns was.«
»Weil?«
»Weil ich ihm erlaubt habe, bis auf Weiteres bei uns zu wohnen. Lucy hat ihn rausgeworfen, und jetzt hat er kein Zuhause mehr.«
»Sie hat ihn rausgeworfen?« Richard sah ehrlich betroffen aus. »Armer Kerl. Das ist der Haken am Zusammenziehen. Definitiv.«
»Na wunderbar.« Das war genau das, was ich nicht hören wollte.
»Daphne. Der einzige Haken. Abgesehen davon hat das alles hier nur Vorteile. Zum Beispiel könntest du dich jetzt hinlegen und ein bisschen schlafen. Und später weck ich dich mit einem köstlichen Abendessen. Wir haben …« Er öffnete die Kühlschranktür noch einmal und schloss sie wie der mit einem schiefen Grinsen. »… nichts im Haus.«
» Du wolltest einkaufen.«
»Ich hol uns was vom Chinesen.«
»Nicht nötig.« Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Ich bin eh mit Betty in der Kleinen Pause verabredet. Und vorher muss ich noch telefonieren. Und duschen.«
»Na gut.«
Ich nickte, wischte meine Hände an den Hosenbeinen ab und war schon halb aus der Küche raus.
»Daphne?«, rief Richard mir hinterher.
»Ja?« Ich blieb im Türrahmen stehen.
»Ich liebe dich.« Er zuckte mit der Schulter. »Nur so.«
Und das war schön, das konnte man nicht anders beschreiben. »Okay«, sagte ich und musste lächeln. »Ich dich auch.«
»Schätzelein, du siehst echt beschissen aus.«
»Danke. Und du bist fett.« Ich setzte mich Betty gegenüber an unseren Stammtisch in der Kleinen Pause.
Sie hatte Max’ Karre neben sich und einen Teller mit Currywurst und Pommes vor sich stehen. »Bin ich nicht.«
»Nein. Nicht immer.« Eigentlich nie. Betty war alles andere als fett, allerhöchstens nach eigener Aussage, wenn sie einen schlechten Tag hatte.
Im Fernseher in der Ecke lief die Live-Übertragung eines Bundesligaspiels. Der Laden war voll mit Fußballfans, und dass wir überhaupt einen Tisch für uns hatten, grenzte an ein Wunder. Aber Max hatte sich schon in der Vergangenheit als sehr hilfreich erwiesen, wenn es darum ging, nicht stehen oder lange warten zu müssen. Auf Kinder nahmen die meisten Menschen Rücksicht.
»Hast du schon bestellt?«
»Beim Reinkommen. Ich sterbe vor Hunger.« Ich seufzte und streckte mich einmal lang auf der klebrigen Tischplatte aus. »Und ich bin hundemüde.«
»Schlecht geschlafen?«
»Gar nicht geschlafen.« Erschöpft stützte ich meinen Kopf auf der Handfläche ab, anders ging es nicht. Betty sah mich fragend an und stopfte Max gleichzeitig ein Stück Wurst in den Mund. »Streit mit Richard. Um fünf Uhr …«, schob ich zur Erklärung hinterher.
»Wenn du jetzt gesagt hättest, dass du Gewissensbisse wegen der Tortenangelegenheit hast …« Ich stöhnte genervt auf und hob abwehrend die Hände. Bloß nicht wieder
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