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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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und trug ihn zum Mülleimer. Wahrscheinlich weil er das, was er zu sagen hatte, sowieso lieber mit dem Rücken zu mir sagte. »Ich hab ihr gesagt, dass ich das nicht mehr mitmache, diese Zwangsjackennummer, wenn unsere Beziehung ansonsten gar keine ist. Wir haben ja nicht einmal Sex. Als ich das gesagt habe, ist sie wütend geworden. Ich glaube, sie war noch nie so wütend …«
    Ich winkte beschwichtigend ab. »Das war bestimmt nur eine Überreaktion. Niemand hört gern von seinem Partner, dass man zu selten …«
    »Nicht selten, Daphne. Nie.« Hannes drehte sich zu mir um und sah mich ernst an. »Lucy und ich haben noch nie miteinander geschlafen. Ich warte jetzt fast schon drei Jahre. Das macht man aus Liebe, oder? Aber irgendwann … Du musst das verstehen … Ich hab genug. Sie will, dass wir erst heiraten. Ich kann sie doch nicht deswegen heiraten! Ich will gar nicht heiraten. Und sie sagt, ich meine es nicht ernst mit ihr. Dass ich sie die ganze Zeit nur belogen habe. Und dass ich nicht wiederkommen soll. Nach all der Zeit, die ich immer für sie da war – kannst du dir das vorstellen? Wie sich das anfühlt? Wie es mir damit geht?« Hannes setzte sich wieder an den Tisch und vergrub seinen Kopf in seinen Händen. »Wie kann sie so etwas sagen? Ich liebe sie doch.«
    »Tja.« Ich schluckte und wusste nicht, was ich sagen sollte, probierte es aber trotzdem. »Das ist ja …« Ein dicker Hund? Ein starkes Stück? Unfassbare Enthüllungen. Um sechs Uhr früh.
    Wahrscheinlich war es keine gute Idee, nach vierundzwanzig Stunden ohne Schlaf und mit Restalkohol im Blut auf eine Leiter zu steigen und die Küche zu streichen, aber nachdem ich Hannes mit Schlafsack und Kissen bestückt und ins Wohnzimmer verfrachtet hatte, war an Schlaf nicht mehr zu denken gewesen. War es für mich ohnehin nie, wenn die Sonne schon schien und die Vöglein sangen, und jetzt war ich außerdem auch noch aufgewühlt von dem, was Hannes mir erzählt hatte. Also beschloss ich, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und mich sowohl auf bewährte Art und Weise ein bisschen abzureagieren als auch ganz nebenbei die Renovierungsmaßnahmen in der Wohnung voranzutreiben. Für die große Wand in der Küche hatte ich die graue Farbe, die ich auch schon auf meinem Hochzeitskleid zur Schau getragen hatte, besorgt. Ich wollte damit eine quadratische Fläche malen, die die Längsseite des Esstischs umrahmen sollte, und als Richard um halb zwölf in die Küche kam, hatte ich den Bereich bereits unter Vermeidung jeglicher rechter Winkel abgeklebt und vorgestrichen. Wie gesagt: So etwas tat man besser nicht in meinem Zustand.
    Er blieb im Türrahmen stehen und kratzte sich am Kopf. »Hast du gar nicht geschlafen?«
    »Ich konnte nicht.«
    »Ist Hannes da?«
    »Im Wohnzimmer.« Ich kletterte von der Leiter und betrachtete die Wand mit ein bisschen Abstand. »Irgendwie schief.«
    »Ich kann das später ausbessern.« Richard schlurfte zum Kühlschrank, nahm den Orangensaft heraus und trank direkt aus der Flasche.
    Ich hätte es gut gefunden, wenn er ein Glas genommen hätte, aber ich hatte keine Lust auf Diskussionen. Alles, was ich wollte, war Harmonie. Harmonie und eine Schmerztablette. Ich stellte mich neben ihn und wartete, bis er seinen Arm um meine Taille legte, wie er das immer machte. Andocken. Dann lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter. »Es tut mir leid, dass ich heute Morgen so blöd war. Ich weiß auch nicht, was los ist. Irgendwie …« Irgendwie konnte ich dieses »Irgendwie« auch nicht näher erklären. Denn eigentlich war alles gut. Ich hatte einen guten Job, tolle Freunde und mit dem besten aller Männer, die mir in den letzten Jahren unter die Augen gekommen waren, eine Beziehung, die das Potenzial hatte, etwas Großes zu werden, zu sein und zu bleiben – wenn wir hier und dort ein bisschen daran arbeiteten. Wenn Richard ab und zu auch mal vor zehn Uhr abends nach Hause kam. Und damit anfing, Gläser zu benutzen. Wenn er mir endlich wieder zuhörte, wenn ich mit ihm sprach und sich so wichtige Dinge merkte, wie dass wir am Sonntag bei meiner Mutter zum Essen eingeladen waren. Und dann auch mitkam. Und ich nicht allein gehen musste, weil er verpflichtet war, mit irgendwelchen Möchtegern-Rockstars Bier zu trinken. Wenn sein »tut mir leid« in diesen Fällen etwas ehrlicher und etwas weniger erleichtert klang. Wenn endlich diese verdammte Tapete an der Wohnzimmerwand klebte und diese Lampe im Flur hing, damit ich nachts auf dem Weg

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