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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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loszuwerden.
    »Es gibt noch viel mehr«, verkündete die Stimme.
    Gentle hatte den Faden verloren und wußte nicht, was der Geist meinte.
    »Noch viel mehr wovon?« fragte er.
    »Erinnerungen«, erwiderte Dunkles Loch. »Du wolltest die Vergangenheit, hast aber nur einen winzigen Teil davon erhalten. Das Beste kommt erst noch.«
    »Ich möchte es nicht.«
    »Und warum nicht? Es ist dein Leben, Maestro, beziehungsweise deine Leben - Plural. Du solltest nehmen, was dir gehört.
    Oder fürchtest du, in dem zu ertrinken, was du einst gewesen bist?«
    Gentle gab keine Antwort. Das Wesen wußte genau, wie sehr ihm die Reminiszenzen schaden konnten, wenn sie alle auf einmal in sein Bewußtsein drängten. Als er beschloß, das Haus aufzusuchen, hatte er sich vorgenommen, vorsichtig zu sein und ins Atelier zurückzukehren, wenn es ihm zuviel wurde.
    Das Geschöpf spürte offenbar, wie sein Herz schneller schlug, denn es sagte:
    »Oh, ich verstehe deine Furcht. Du willst dich nicht erneut schuldig fühlen, wie? Und es gibt eine Menge, das Schuldgefühle verursachen könnte.«
    Ich muß weg von hier, dachte Gentle. Dieses Gebäude enthielt zu viele Erinnerungen, forderte das Unheil geradezu heraus.
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    »Wohin gehst du?« fragte Dunkles Loch, als Zacharias zur Tür schritt.
    »Ich bin müde und möchte schlafen«, erwiderte er. Das klang harmlos genug.
    »Du kannst hier schlafen«, schlug der Geist vor.
    »Es fehlt ein Bett.«
    »Leg dich auf den Boden. Ich singe ein Schlaflied für dich.«
    »Außerdem habe ich Hunger und Durst.«
    »Derzeit brauchst du weder Nahrungsmittel noch etwas zu trinken.«
    »Mir knurrt der Magen.«
    »Laß ihn knurren.«
    Warum lag dem Wesen soviel daran, daß er im Haus verweilte? Wollte es ihn mit Erschöpfung und Durst zermürben? Oder endete seine Einflußsphäre an der Türschwelle? Diese Hoffnung keimte und wuchs in ihm, und er trachtete danach, sich nichts von ihr anmerken zu lassen. Das Geschöpf hatte davon gesprochen, in Herz und Kopf zu kriechen, aber es schien alle seine Gedanken erfassen zu können. In dem Fall wäre es nicht nötig gewesen, ihn mit Drohungen daran zu hindern, nach draußen zu gehen. Es genügte, seine Beine bleiern schwer zu machen, ihn mit einer imaginären Müdigkeitslast auf die Dielen zu schicken. Die Kontrolle über seine Absichten und den Körper gehörte nach wie vor ihm allein, obgleich die Erinnerungen dem Geheiß des Wesens unterlagen. Woraus folgte: Wenn Zacharias schnell genug war, gelang es ihm vielleicht, Tür und Sicherheit dahinter zu erreichen, bevor der Geist in ihm die Schleusentore seines Gedächtnisses erneut öffnete. Er wandte sich von der Tür ab, damit das Geschöpf keinen Verdacht schöpfte.
    »Na schön, ich bleibe«, sagte er.
    »Wenigstens können wir uns gegenseitig Gesellschaft leisten«, sagte Dunkles Loch. »Doch eins möchte ich klarstellen: Wie verzweifelt du auch sein magst - unsere 898

    Beziehung muß aufs Geistige beschränkt sein; alles Körperliche ist ausgeschlossen. Bitte nimm das nicht persönlich. Es ist nur... Ich kenne deinen Ruf, und deshalb weise ich daraufhin, daß ich keine sexuellen Interessen habe.«
    »Kannst du nie Kinder bekommen?«
    »Oh, doch. Ich zeuge Nachwuchs, indem ich Saat in den Köpfen meiner Feinde hinterlasse.«
    »Soll das eine Warnung sein?« fragte Gentle.
    »Ganz und gar nicht. Du hättest bestimmt nichts dagegen, eine Familie von uns aufzunehmen. Alles ist eins. Das stimmt doch, oder?« Das Wesen legte eine kurze Pause ein, und als es erneut sprach, ahmte es die Stimme des Maestros nach. »Durch den Tod verlieren wir nichts von uns. Nein, wir wachsen, bis zur Größe der Schöpfimg. Erachte mich als einen Teil jenes Wachstums - dann kommen wir gut miteinander aus.«
    »Bis du mich umbringst.«
    »Warum sollte ich dich töten?«
    »Weil Sartori meinen Tod will.«
    »Du tust ihm Unrecht«, entgegnete Dunkles Loch. »Ich bin nicht als Killer beauftragt. Er hat mir nur befohlen, dich von der Arbeit abzuhalten, dir keine Möglichkeit zu geben, die Domänen zusammenzuführen. Er möchte nicht, daß du in die Rolle des Rekonzilianten schlüpfst und seinen Gegnern Eintritt in die Fünfte verschaffst. Wer kann es ihm verdenken? Er hat vor, hier eine neue Metropole zu errichten, ein zweites Yzordderrex als Zentrum seiner Macht über die Fünfte Domäne. Wußtest du das?«
    »Er erwähnte einen derartigen Plan.«
    »Und wenn er ihn verwirklicht hat..., dann ist er bestimmt bereit, dich als Bruder zu

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