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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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    Welche Diskussionen und Beratungen auch immer in Uma Umagammagis Tempel stattfanden, während Judith am Ufer wartete - sie beendeten die Prozession der Postulaten. Die Wellen trugen keine Frauen und Kinder mehr zur Insel, und nach einer Weile glättete sich das Wasser des Sees. Schließlich war es völlig unbewegt, als müßten sich die Mächte, die vorher für Strudel und Wogen gesorgt hatten, jetzt mit wichtigeren Dingen befassen. Ohne Uhr konnte Jude nur raten, wieviel Zeit verstrich, doch gelegentliche Blicke zum Kometen teilten ihr mit, daß nicht etwa Minuten vergingen, sondern Stunden.
    Wußten die Göttinnen, welche Bedeutung dem Faktor Zeit zukam? Äonen hatten sie in ihren verschiedenen Verstecken verbracht, was vielleicht nicht ohne Folgen für sie geblieben war. Möglicherweise dauerte ihre Debatte Tage, ohne daß sie merkten, wieviel Zeit sie sich dafür nahmen. Judith bedauerte, nicht noch deutlicher auf die Wichtigkeit ihrer Mission hingewiesen zu haben. In der Fünften neigte sich nun der Tag dem Ende entgegen. Selbst wenn Gentle bisher darauf verzichtet hatte, die letzten Vorbereitungen zu treffen -
    letztendlich traf er bestimmt die Entscheidung, mit der Zeremonie zu beginnen. Sie konnte ihm deshalb kaum einen Vorwurf machen. Er hatte nur eine Botschaft, überbracht von einem nicht unbedingt zuverlässigen Kurier, eine vage Nachricht, in der es hieß, die Rekonziliation sei nicht sicher.
    Das genügte wohl kaum, um ihn von der Zusammenführung der Domänen abzuhalten. Er kannte nicht das Grauen, das Judith in der Orakelschüssel gesehen hatte, daher fehlte ihm eine klare Vorstellung davon, was auf dem Spiel stand. Er kümmerte sich um die ›Angelegenheiten seines Vaters‹, und zweifellos zog er nicht in Erwägung, Imagica dadurch Unheil zu bringen.
    Zweimal wurde Jude von diesen melancholischen 118
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    Überlegungen abgelenkt. Beim erstenmal kam eine junge Frau zum Ufer, um ihr zu essen und zu trinken anzubieten - wofür sie sehr dankbar war. Beim zweitenmal mußte sie einem Ruf der Natur folgen. Sie wanderte eine Zeitlang umher und hielt nach einem Ort Ausschau, wo sie sich unbeobachtet niederhocken und ihre Blase entleeren konnte. Es war natürlich absurd, sich ausgerechnet hier des Bedürfnisses zu schämen, Wasser zu lassen, doch sie kam aus der Fünften, und dort herrschten andere Regeln und Traditionen. Vielleicht lernte sie es irgendwann, in dieser Hinsicht über ihren eigenen Schatten zu springen, aber das dauerte sicher noch eine Weile.
    Sie fand eine geeignete Stelle zwischen den Felsen, und als sie zurückkehrte, erleichtert, erklang am Eingang des Tempels wieder jenes Lied, das schon vor einer ganzen Weile verklungen war. Sie begab sich nicht wieder zu ihrem Warteplatz, sondern setzte statt dessen den Weg zum Tempel fort. Schwermut und Kummer wichen von ihr, als sie sah, wie der See aus seiner Apathie erwachte, wie neue Wellen ans Ufer rollten. Offenbar hatten die Göttinnen eine Entscheidung getroffen. Judith wollte die Neuigkeiten so schnell wie möglich hören, aber sie fühlte sich nun auch von einem seltsamen Empfinden erfaßt: Sie kam sich vor wie eine Angeklagte, die in den Gerichtssaal zurückkehrte, um das Urteil zu vernehmen.
    Eine gewisse Aufregung war den Personen vor dem Portal anzusehen. Einige Frauen lächelten, und andere wirkten sehr ernst, fast grimmig. Wenn sie bereits von dem Urteil wußten, so interpretierten sie es auf eine recht individuelle Weise.
    »Soll ich jetzt hineingehen?« wandte sich Jude an die junge Frau, die ihr zu essen gebracht hatte.
    Die Namenlose nickte, aber vielleicht wollte sie nur dafür sorgen, daß ein unterbrochener Vorgang wiederaufgenommen wurde - seit die Göttinnen über Judiths Anliegen befanden, empfingen sie keine anderen Bittstellerinnen mehr. Die Frau aus der Fünften wandte sich ab und trat durch die Tür aus 1187

    Wasser ins Innere des Tempels, wo ihr sofort Veränderungen auffielen. Zwar stellte sich erneut das intensive Gefühl einer Einheit von interner und externer Perspektive ein, aber sie nahm jetzt Dinge wahr, die weniger beruhigend wirkten als vorher. Nirgends zeigte sich pulsierendes Licht, das die Konturen von Körpern erahnen ließ. Allem Anschein nach stellte Jude jetzt die einzige Repräsentantin des Fleischlichen dar, und helles, sondierendes Licht gleißte ihr entgegen, weitaus weniger sanft als Uma Umagammagis Blick. Sie blinzelten, doch Lider und Wimpern konnten den Glanz nicht filtern, der nicht etwa

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