Immer dieser Michel
Lukas und Ida und das Knirpsschweinchen. Er zog die Augenbrauen hoch und dachte lange nach. Und dann sind da noch Vater und Lina, dachte er. Na ja, an manchen Tagen mag ich 141
Vater, aber an manchen nicht. Und Lina - ich weiß wirklich nicht, ob ich sie mag oder nicht. . . die kann so mitlaufen.
Natürlich machte Michel so gut wie jeden Tag seine Streiche, und er saß auch fleißig im Tischlerschuppen, und das wurde in den blauen Schreibheften dieser Zeit erwähnt. Aber in der Erntezeit hatte Michels Mutter es eilig. Deshalb stand da manchmal nur
"Michel im Tischlerschuppen", ohne daß berichtet wurde, warum.
Michel nahm jetzt jedesmal, wenn er in den Tischlerschuppen mußte, Knirpsschweinchen mit. Mit einem lieben kleinen Schwein zusammen ging die Zeit schneller vorüber. Er konnte ja nicht immerzu Holzmänner schnitzen. Statt dessen brachte er Knirpsschweinchen alle möglichen Kunststücke bei, Kunststücke, von denen wohl kein Mensch in ganz Lönneberga vermutet hätte, daß ein gewöhnliches Smalandschwein sie lernen könnte. Er tat es in aller Heimlichkeit, und Knirpsschweinchen war gelehrig und hatte selbst viel Spaß daran, besonders, weil es jedesmal, wenn es etwas Neues gelernt hatte, mit irgendeiner Leckerei von Michel belohnt wurde. Michel hatte schließlich einen ganzen Vorrat an Zwieback und Keks und getrockneten Kirschen und anderen guten Dingen in einer geheimen Dose hinter der Hobelbank. Er wußte ja nie, wann er im Tischlerschuppen landen würde, und wollte dann nicht noch unnötig hungern.
"Mit ein wenig Pfiffigkeit und einigen getrockneten Kirschen kann man einem Schwein so ziemlich alles beibringen", erklärte Michel Alfred und Ida an einem Samstagabend, als er ihnen Knirps-schweinchens geheime Kunststücke vorführte, die bisher noch niemand hatte sehen dürfen. Das geschah in der Fliederlaube, und es wurde eine große Stunde - sowohl für Michel als auch für
Knirpsschweinchen. Alfred und Ida saßen auf einer Bank und sperrten die Augen auf, erstaunt über Knirpsschweinchens ungeahntes Können. So ein Schwein gab es nicht noch einmal. Es konnte brav sitzen wie ein Hund, wenn Michel "Sitz brav" sagte, und wie tot daliegen, wenn Michel rief "Lieg tot", und es konnte 142
die rechte Pfote zum Dank aufheben, wenn es getrocknete Kirschen bekam.
Ida klatschte vor Entzücken in die Hände.
"Kann es noch mehr?" fragte sie eifrig.
Da rief Michel "Galopp!", und schon lief Knirpsschweinchen in der Fliederlaube im Kreis umher. Und wenn Michel in kurzen Abständen "Hopp!" rief, machte es kleine Luftsprünge und rannte danach weiter, zufrieden mit sich selbst.
"Oh, wie ist es süß", sagte Klein-Ida, und es sah wirklich süß aus, wenn Knirpsschweinchen in der Laube seine Sprünge machte.
"Es ist aber doch unnatürlich, daß ein Schwein so etwas kann", sagte Alfred.
Aber Michel war stolz und glücklich. In ganz Lönneberga und ganz Smaland gab es kein gleichwertiges Schwein, das war sicher.
Mit der Zeit brachte Michel dem Knirpsschweinchen auch das Seilspringen bei. Hast du jemals ein Schwein über ein Seil springen sehen? Nein, du nicht und Michels Vater auch nicht.
Aber eines Tages, als er vor dem Stall auftauchte, sah er dort Michel und Ida stehen. Zwischen sich schwenkten sie einen alten Zügel, und über diesen Zügel sprang Knirpsschweinchen, daß der Sand nur so flog.
"Das macht ihm Spaß", versicherte Klein-Ida, aber daraufbiß ihr Vater nicht an.
"Schweine sollen keinen Spaß haben", sagte er. "Sie sollen Weihnachtsschinken werden. Bei dem Gehopse aber wird dies hier so mager wie ein Jagdhund, und das will ich nicht."
Das traf Michel. Weihnachtsschinken aus Knirpsschweinchen - so weit hatte er nicht gedacht! Aber jetzt dachte er. Und er fragte sich, ob das hier nicht einer dieser Tage war, an denen er seinen Vater nicht so besonders mochte.
Es war Dienstag, der 10. August, an dem Michel nicht so besonders viel von seinem Vater hielt. Es war ein sonniger, warmer Sommertag, als Knirpsschweinchen vor dem Stall über das Seil sprang und Michels .Vater das von dem
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Weihnachtsschinken sagte. Dann verschwand er, denn gerade an diesem Tag begannen sie in Katthult mit der Roggenernte, und Michels Vater mußte den ganzen Tag, bis zum Abend, auf dem Roggenfeld sein.
"Das Beste, was du tun kannst, Knirpsschweinchen", sagte Michel, als sein Vater gegangen war, "das ist, du hältst dich mager wie ein Jagdhund, dann kommst du vielleicht durch, sonst... Du kennst meinen Vater nicht!"
Den
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