Immer verlasse ich dich
nichts zur
Sache tat, warum wollte sie es uns dann nicht sagen?
Sie hatte Ray Davies hinausgeworfen und
erzählte uns einige Wochen später, er treffe sich nicht mehr mit Madame X, und
daß er sie gebeten habe, ihn wieder bei sich aufzunehmen, doch sie wollte
nichts mehr von ihm wissen.
Meg war in relativ kurzer Zeit über
Davies hinweggekommen. Dennoch störte mich immer etwas an dieser Sache, ich
konnte es allerdings nie genau bestimmen. Jetzt wußte ich es.
»Blythe?« sage ich zu Davies. »Du
hattest ein Verhältnis mit Blythe?«
»Hey, Kleines, ich dachte, du wüßtest
es, wo ihr zwei doch Vertraute wart und so. Wow. Hey, es war nichts, weißt du.
Die Kleine wollte mich einfach nicht in Ruhe lassen, und, wie ich schon sagte,
damals dachte ich nur mit meinem Schwanz.«
»Und jetzt tust du das nicht mehr?«
frage ich sarkastisch.
Ein hinterhältiges Grinsen, wie von
einer Schlange in Zeitlupe, zerteilt sein Gesicht. »Verdammt, ich versuche die
alte Birne zu benutzen.« Mit der Faust klopft er sich zweimal gegen den Kopf.
Davies macht mich krank. Aber was mir
noch mehr zusetzt ist, daß Meg mich belogen hat, indem sie mir etwas
verschwieg. Ich will, daß diese Null verschwindet. Andererseits, wenn er mich
bezahlen will, um Megs Mörder aufzuspüren, wäre ich ja schön blöd, ihm einen
Korb zu geben. Es ist nicht das Geld, es ist die Legitimation. Selbst Kip müßte
dann absegnen, daß ich an diesem Fall arbeite. Denke ich jedenfalls.
»Laß mich eins klarstellen«, sage ich.
»Als du mit Meg zusammenlebtest und Blythe, Moment, siebzehn war...«
»Achtzehn«, widerspricht er empört und
zieht ein zerknülltes Päckchen Zigaretten aus der Tasche.
»Nein«, sage ich. »Du darfst hier
drinnen nicht rauchen.«
»Jesus, Maria und Joseph«, murmelt er
und steckt die Schachtel weg. »Du warst schon immer eine verklemmte Mieze,
weißt du das?«
Wie soll ich für diesen Mann arbeiten?
frage ich mich.
»Ray, wenn ich diesen Fall übernehmen
soll, müssen wir zuerst mal ein paar Dinge klären, wir müssen einige
Grundregeln festlegen, klar?«
Er steht auf, dreht den Stuhl herum und
setzt sich rittlings darauf, die Arme oben auf die Rückenlehne gestützt.
»Schieß los.« Mr. He-Man.
»Erstens bin ich keine Mieze. Und ich
will auch nicht, daß du mich Kleines nennst.«
»Wie soll ich dich denn nennen, Ms.
Laurano?« Er kichert ausgiebig und nervtötend.
»Lauren.«
»Lauren«, wiederholt er, als sei es ein
neues Wort aus einer Fremdsprache. »Zum Teufel, Lauren, ich nenne jeden
Kleiner oder Kleines.«
»Aber nicht mich«, befehle ich. »Nie
mehr.«
Die Haut um seine Augen legt sich in
Fältchen, und ich weiß, daß er sich für unwiderstehlich hält. »Tja, was ist,
wenn ich es vergessen sollte, dich irrtümlich Kleines nenne?«
»Dann vergiß es eben nicht«, sage ich
brüsk.
»Mensch, Anton.«
»Und nenn mich auch nicht Anton.«
»Hm?«
Er versteht meinen Humor nicht, und ich
erinnere mich, daß sein mangelnder Sinn für Humor einer von Megs Kritikpunkten
war. »Also war Blythe achtzehn, als du diese... diese Sache mit ihr hattest?«
»Genau.«
»Lebte sie damals bei Meg und dir?«
»Zum Teufel, nein«, sagt er entsetzt.
»Glaubst du, so was würde ich tun?«
»So was?«
»Na ja, im selben Haus und alles.«
»Du meinst, es war in Ordnung, mit der
Tochter deiner Frau zu schlafen, deiner Stieftochter, solange ihr nur
getrennt lebtet?«
Er starrt mich an, als hätte ich ihm
die Lösung eines vertrackten Rätsels aufgegeben.
»Manche Leute würden das Inzest
nennen.«
»Scheiße. Inzest? Sie wollte es doch.«
»Das sagt ihr alle.«
»Wer sind alle?«
»Kriminelle.«
»Wovon redest du, Klei-... Lauren?«
»Ray, du warst ihr Stiefvater. Du warst
mit ihrer Mutter verheiratet.«
»Das macht einen doch nicht automatisch
zum bösen Buben. Und dadurch wird es auch nicht zu Inzest. Blythe war ein
großes Mädchen. Sie lebte allein, arbeitete. Es war nicht so, als hätte ich
mich in das Zimmer eines kleinen Mädchens geschlichen, sobald meine Frau
schlief oder so. Versuch nicht, mich als Perversen oder Kriminellen
hinzustellen.«
Wenn das, was er sagt, stimmt, dann hat
er da einen Pluspunkt... einen kleinen.
»Was hat das im übrigen mit der
jetzigen Sache zu tun?« fragt er.
»Vermutlich gar nichts. Wo warst du,
als Meg umgebracht wurde?«
»Nimmst du mich auf den Arm?«
»Nein.«
»Du denkst, ich habe Meg
umgelegt?«
Da ist es wieder. Das einzige, was sich
jeweils ändert, ist das
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