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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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mich nicht erinnern, daß Meg
dich einmal nicht sofort angerufen hat, wenn ihr etwas zugestoßen war.«
    »Ich auch nicht. Also was folgt daraus?
Meg wußte, wenn sie mich über den Überfall informierte, würde ich rüberkommen,
ganz gleich, wie heftig sie protestierte, und das wollte sie nicht, weil sie
jemanden erwartete.«
    »Wen denn?« fragt William.
    »Ihren Mörder«, sage ich.

 
     
     
     
     
     
     
     
     »Kommt mit«, sage ich und gehe zur Tür.
    »Wohin?« fragt Kip.
    William liegt noch in seinem Sessel und
sieht einem gestrandeten Wal immer ähnlicher. Ich gehe zu ihm zurück.
    »Du kommst auch mit.«
    »Ich kann nirgends hingehen. Mein Leben
ist zu Ende.«
    »Nein, William«, sage ich ein wenig
grausam. »Megs Leben ist zu Ende.«
    Unsere Blicke begegnen sich, und ich
sehe, daß er wütend ist. Aber ich will seinen Kummer nicht herunterspielen.
»Ich weiß, du machst viel durch. Und es ist schlimm, daß Rick auf diese Weise
weggegangen ist, aber wir müssen etwas erledigen. Hier herumzusitzen ändert gar
nichts.«
    »Was müssen wir denn erledigen?«
    »Wir müssen zu Megs Geschäft gehen.«
    »Wieso?«
    »Um herauszufinden, wovor Meg solche
Angst hatte. Wir müssen rauskriegen, was die Cops auf gar keinen Fall entdecken
durften.«
    »Wie sollen wir denn reinkommen?« fragt
Kip.
    »Du willst mich wohl auf den Arm
nehmen«, sage ich.
     
    Ich gehe kurz in unserer Wohnung
vorbei, um zwei Taschenlampen und ein Bund Dietriche zu holen, die ich in einer
Plätzchendose in Form eines Schweines versteckt habe — ein Geschenk von Meg.
Die besseren Dietriche sind in meinem Büro, aber diese hier werden ihren Zweck
auch erfüllen.
    Um halb elf sind wir auf der Straße,
und ein Summen wie von einer Heuschreckenplage stürmt auf uns ein. Es ist nicht
das Gesumme von Insekten, sondern einfach der Krach, der von Greenwich Village
an einem ungewöhnlich warmen Herbstabend ausgeht. Wir warten an der Seventh
Avenue darauf, daß die Ampel umspringt.
    Kip sagt: »Wie willst du das anstellen,
wenn Tausende von Leuten in der Nähe sind?«
    »Du und William werdet mich
abschirmen.«
    »Man kann dich abschirmen, Lauren, aber
wenn du erst die Tür offen hast, was dann?«
    »Dann improvisieren wir.«
    »Wieso lasse ich mich in solche Dinge
hineinziehen?« sagt Kip. »Ich kann es schon vor mir sehen: Therapeutin bricht
in Laden von Mordopfer ein.«
    »Tja, dann bist du Teil des Schmutzes,
den du so sehr liebst.«
    »Vielleicht kommst du in die Ron Reagan
Show«, meint William.
    »Geraldo oder keine«, kontert Kip
schnippisch.
    Wir überqueren die Seventh und gehen
weiter auf der Perry zur Greenwich Avenue. Auf der Straße wimmelt es von
Menschen. Vielleicht war ich übereilt in meinem Eifer, der Wahrheit auf die
Spur zu kommen!
    »Sieht so aus, als ob es nicht zu
schaffen wäre«, sagt William.
    Als wir uns Megs Geschäft nähern, sehe
ich, daß das gelbe Versiegelungsband entfernt wurde. Das ist gut. Ich
registriere auch die Blumenvasen und Zeichen der Ehrerbietung für Meg, die wie
durch ein Wunder noch da sind. Sich sogar vermehrt haben. Ich finde es
interessant, daß niemand diese Sachen gestohlen oder entweiht hat. Das gibt mir
neues Vertrauen in die Menschheit. Die New Yorkheit.
    Als wir vor dem Geschäft anlangen,
brechen meine Gefühle wieder auf, und ich muß mich zusammenreißen, sonst weine
ich.
    »All diese Sachen, unglaublich«, sagt
Kip.
    Ich hatte vergessen, daß sie seit dem
Mord nicht hier war.
    »Es muß eine Bedeutung haben«, sage ich.
    »Wie meinst du das?«
    »Sie kann nicht... ich meine... sie muß
wenigstens zum T eil die gewesen sein, für die ich sie hielt. «Ich höre selbst
die dringende Bitte um Bestätigung aus meinen Worten.
    Kip berührt mich an der Schulter.
»Natürlich war sie das, Lauren.«
    Ich lächle matt, ihre Bestätigung
bleibt wirkungslos. »Es ist wohl noch zu früh, um die Aktion zu starten.«
    »Trinken wir was«, schlägt William vor.
    Wir gehen zu einer Bar mit dem Namen
Dew Drop Inn an der Ecke Greenwich und Charles. Sie scheint das zu sein, was
ich eine Trinkerbar nenne. Ein Stammlokal. Drinnen ist es dunkel, und die Luft
ist schlecht. Dröhnende Musik zwingt die Leute, sich schreiend zu verständigen,
was den Eindruck erweckt, sie amüsierten sich großartig. Doch als ich mich genauer
umschaue, sehe ich statt Spaß Verzweiflung. Ich bin unschlüssig, ob ich hier
bleiben will, dann klopft mir jemand auf die Schulter.
    Als ich mich umdrehe, erkenne ich zwar
das Gesicht, kann

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