Immer verlasse ich dich
wie dunkel es ist! Wir horchen. Die
einzigen Geräusche kommen von der Straße und von meinem pochenden Herzen. Ich
versuche, mir die Aufteilung des Geschäfts in Erinnerung zu rufen.
»Und wie weiter?« flüstert Kip.
»Wir gehen ins Lager. Sagtest du nicht,
dahin hätte sie immer wieder gesehen, William?«
»Ja. So schien es.«
»Nimm meine Hand, Kip, und William,
nimm ihre.« Langsam, während mir die genaue Aufteilung wieder einfällt, bahne
ich uns den Weg weiter ins Ladeninnere, bis es relativ ungefährlich ist, die
Taschenlampen anzuknipsen. Wir atmen entspannter. Die Dunkelheit flößt uns
Menschen immer Angst ein, ganz gleich, wie alt man ist, besonders unter
Umständen wie diesen.
Doch die Taschenlampen erzeugen
Schatten, es formen sich Ungeheuer, die uns bei unserem zögernden Vorstoß ins
Hintere des Ladens das Gefühl geben, wir befänden uns in einem Roman von
Stephen King. Uns allen dreien stockt jedesmal vor Furcht der Atem, wenn wir
auf einen dieser Schemen treffen, und ich für meinen Teil komme mir dabei
ziemlich blöd vor. Ich nehme an, den beiden anderen geht es ebenso.
Als wir die Tür zum Lagerraum
erreichen, bin ich keineswegs überrascht, sie angelehnt vorzufinden. Wir
bleiben stehen. Horchen. Falls jemand da unten ist, haben wir keine
Möglichkeit, es festzustellen. Wir könnten in eine Falle tappen. Ich greife
nach einer Schale, die vermutlich mehrere hundert Dollar wert ist, aber das spielt
jetzt keine Rolle, unsere Sicherheit hat Vorrang. Goodbye, Schale. Ich werfe
sie durch die Türöffnung zum Lagerraum hinunter. Als sie auf dem Fußboden
landet, zerschellt sie und macht dabei einen Lärm wie eine Atombombenexplosion,
zumindest in meinen Ohren. Ich warte auf einen Schuß, irgendeine Reaktion.
Nichts. Jetzt bin ich völlig überzeugt, daß wir allein sind.
»Alles in Ordnung«, sage ich zu ihnen.
»Schließ die Tür hinter dir, William.«
Wir stehen zusammengedrängt auf dem
Treppenabsatz, als ich mit meiner Taschenlampe die Wand absuche und schließlich
einen Lichtschalter ausfindig mache. Man kann die Beleuchtung von der Straße
aus nicht sehen, daher fühle ich mich relativ sicher. Behutsam gehen wir die
Stufen hinunter. Überall stehen Schachteln und Kisten, aber wir wissen gleich,
wohin. Auf Anhieb fällt uns auf, daß zwei mittelgroße Kartons offen und leer
sind. Ich weiß aus Erfahrung, daß Meg diese Kartons niemals so zurückgelassen
hätte. Sie hätte sie zugeklebt, in einer Ecke aufeinandergestapelt oder, eher
noch, zerschnitten und auf den Müll geworfen.
Wer immer hier gewesen ist, hat den
Inhalt der Kartons mitgenommen. Ich hoffe, der Aufschrift entnehmen zu können,
was darin war, aber da stehen nur Dinge wie diese
seite nach und hier öffnen .
Nichts deutet auf die Herkunft der Kartons hin, und das ist schon verdächtig
genug, weil alle übrigen mit Absendern versehen sind.
»Was, zum Teufel, war in diesen
Dingern?« frage ich.
Kip sagt: »Koks?«
»Nein«, sagt William, »das glaube ich
eigentlich nicht.«
Wir spekulieren über eine absurde
Möglichkeit nach der anderen, bis Kip mit einem kräftigen Schrei unterbricht.
»Was ist?«
Sie zeigt nach hinten in den Raum.
Als ich in die Richtung schaue, in die
sie deutet, sehe ich es ebenfalls.
Füße.
Die in schwarzen Halbschuhen stecken.
In einer Position, an der man erkennen
kann, daß die dazu gehörige Person auf dem Rücken liegt.
Ich bin ziemlich sicher, daß sie nicht
schläft.
Ich gebe es äußerst ungern zu, aber diese langen Nächte sind zuviel
für mich. Ich komme mir vor wie ein Trottel. Ich möchte nicht darüber
nachdenken, wie ich aussehe.
Und Kip?
Das blühende Leben, als hätte sie ihre
vollen acht Stunden geschlafen! Ich kann nicht fassen, daß unser Altersunterschied
von zwei Jahren dafür verantwortlich sein soll. Oder liegt es am Blick des
Betrachters?
»Wie sehe ich für dich aus?« frage ich
sie.
»Müde.«
»Warum zum Teufel siehst du nicht müde aus?«
»Gute Erbanlagen«, sagt sie knapp.
»Aber klar doch.«
»Wie kann man es denn sonst erklären?«
Ich reagiere nicht auf ihre Frage. Es
ist acht Uhr früh, und wir sind um fünf nach Hause gekommen. Lausige drei
Stunden Schlaf! Wie kann man da so frisch aussehen? Sie hat sich schon
angezogen, eine schicke blaue Hose und ein Hemd in hellem Pink, beides
sorgfältig gebügelt. Ich stecke in meinem zerknitterten Morgenrock.
»Übrigens«, sagt sie, »wenn ich nicht
einen
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