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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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es aber nicht ganz einordnen. Er bemerkt das und sagt: »Jed
Langevin. Ich habe das Schuhgeschäft, zwei Läden weiter von Megs Geschäft.«
    »Oh, klar. Entschuldigung.« Ich hatte
ihn ein- oder zweimal in ihrem Laden getroffen.
    Er winkt ab, als wollte er sagen, macht
nichts. Ich stelle ihn Kip und William vor. Langevin sieht aus, als hätte er
schon ein paar Gläser gekippt, in seinen braunen Augen liegt der Glanz des
hingebungsvollen Trinkers. »Leisten Sie mir doch Gesellschaft. Ich habe einen
Tisch.« Es klingt eher wie ein Befehl, nicht wie eine Einladung.
    »Danke«, sage ich, »aber hier drinnen
ist es etwas zu verraucht für uns.«
    Als hätte ich ihn an etwas erinnert,
holt er eine Zigarette heraus und zündet sie an, bläst den Rauch aber in die
andere Richtung. »Irgendwas Neues über Meg?«
    »Nichts«, schreie ich.
    »Verdammter Mistkerl«, knurrt er. »Im
letzten Jahr haben sie mich viermal ausgeraubt. Ich hab’s ihr gesagt, ich habe
Meg gesagt, sie soll Fremden nicht die Tür aufmachen.«
    »Was veranlaßt sie zu der Annahme, daß
sie das getan hat?« brülle ich.
    »Hm?«
    »Lassen Sie uns kurz nach draußen
gehen, einverstanden?«
    Er nickt, hebt einen Finger, nimmt
seinen Drink von einem Tisch, an dem zwei Frauen sitzen. »Bin gleich wieder
da.«
    Draußen trinkt Langevin und raucht.
»Also, was wollen Sie wissen?«
    »Als Sie ihr sagten, sie solle Fremden nicht
die Tür öffnen, was sagte sie da?«
    »Was sie sagte? Oh. Sie sagte: ›Wie
soll man denn seinen Lebensunterhalt verdienen, wenn man nur den Leuten die Tür
aufmacht, die man kennt.‹«
    »Da hatte sie nicht ganz unrecht.«
    »Ja, schon. Aber man kann es doch sehen,
wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Nein.«
    Er beugt sich zu unserer Gruppe.
»Nigger«, sagt er.
    Das Wort versetzt mir einen Schlag. Ich
bin es nicht gewohnt, mit Leuten zu verkehren, die so reden. Ich sehe Kips und
Williams Gesichter und weiß, daß es sie genauso schockiert.
    Langevin läßt eine Rede vom Stapel.
»Sie ruinieren diese Stadt, die Nigger und Latinos. Abschaum. Faule Penner.
Cracksüchtige, allesamt. Und sie haben keinerlei Achtung vor dem Leben. Das
Leben ist wohlfeil für sie. Wissen Sie, wie hoch die Sterblichkeitsrate der
männlichen Nigger ist? Es...«
    »Mr. Langevin«, sage ich.
    »Jed.«
    »Keiner von uns will diese Scheiße
hören, die sie da verbreiten, also warum gehen Sie nicht lieber wieder in die
Bar zurück, trinken aus und hängen sich ihr Bettlaken um.«
    »Bettlaken? Oh, ich kapiere. Sie
denken, ich bin ein Rassist, hm?«
    »Der Gedanke kommt einem flüchtig«,
sagt William.
    »Ihr Liberalen seid zum Kotzen. Guckt
euch die Koreaner und die Pakistani an, hört ihr mich auch nur ein Wort gegen
sie sagen? Nein. Weil sie sich beim Arbeiten den Arsch aufreißen, nichts
erwarten, ohne etwas dafür zu tun, wie die anderen. Was glauben denn Sie, wer
ihre gute Freundin umgelegt hat? Hm? Es waren doch Nigger, die den Laden
überfallen haben.«
    »Und ein Weißer, der sie später
erschossen hat«, sage ich. »Gute Nacht.« Ich wende mich zum Gehen. Langevin
macht einen Satz und packt mich am Arm.
    Mit den Augen signalisiere ich Kip und
William, sich nicht einzumischen. Ich hole meine 38er aus der Handtasche.
»Lassen Sie Ihre Hand ruhig da«, fordere ich ihn auf. »Ich hätte gern etwas
Abwechslung.« Das ist meine Version von Eastwoods Retten Sie meinen Tag.
    »Scheißlesbe«, sagt er.
    »Trotzdem, nehmen Sie Ihre Hand da
weg.«
    Er tut es.
    »Und jetzt gehen Sie wieder rein, bevor
ich die Beherrschung verliere.«
    Langevin spuckt auf den Gehsteig. Ich
kann mir denken, daß diese Geste eine besondere Bedeutung hat, aber ich weiß
nicht welche, und es ist mir auch gleichgültig. Er starrt uns wütend an, und
ich kann sehen, daß er mit den Zähnen seine Unterlippe berührt, ein Schimpfwort
formt, während er William ansieht, den Größen- und Gewichtsunterschied
abschätzt und es sich dann wohlweislich anders überlegt.
    Als Langevin hineingegangen ist, sagt
William: »Gott sei Dank. Ich dachte schon, ich müßte mein Schwulsein
verteidigen.«
    Was er mit Leichtigkeit geschafft
hätte, da William jeden Tag trainiert und in Topform ist. Aber er verabscheut
Gewalt.
    »Toller Typ«, sagt Kip. »Können wir
jetzt nach Hause gehen?«
    »Ihr könnt, wenn ihr wollt. Ich werde
einen Kaffee trinken und... noch einen Kaffee und abwarten, bis die Straße frei
ist.«
    Beide erklären sich bereit, mit mir zu
kommen.
     
    Wir hatten jeder drei Cappuccinos,

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