Immer verlasse ich dich
zu glühen, als hätten sie
einen Regenbogen gesehen.
Alles in mir strebt danach,
voreingenommen gegen diese Dr. Woo zu sein. Mein altes Ich hätte nachgegeben.
Mein neues Ich hält den Mund, wartet auf weitere Informationen.
Kip fragt: »Wieviel kostet es? Nein,
entschuldigt. Das geht mich nichts an.«
Die Männer lächeln, tauschen einen
verständnisinnigen Blick aus. Tom sagt: »Es ist teuer.«
Ich bin wütend. Warum ist alles, was
mit Aids zu tun hat, so verdammt kostspielig?
»Die Versicherung übernimmt die Kosten
nicht«, sagt Sam und kommt unserer nächsten Frage zuvor. »Dr. Woo wird nicht
als echte Ärztin anerkannt.«
»Ist sie es denn?«
»Nicht nach den offiziellen
Richtlinien. In ihrem Heimatland schon.«
Tom sagt: »Sie ist verdammt streng. Man
muß sich genauestens an ihre Diät halten. Nicht nur an die Einnahme von
Kräutern, sondern an ein ganz neues Eßverhalten. Irgendwie makrobiotisch.«
»Nicht irgendwie, Schatz. Es ist makrobiotisch.«
Kip und ich haben diese Diät immer als
makroneurotisch bezeichnet, und mir wird klar, daß das ein Vorurteil war. Die
gute Nachricht ist, daß Kip ebenfalls ein Vorurteil hatte.
»Ich kann mich nur schwer damit abfinden,
wohl weil Sam und ich das vorher immer makroneurotisch genannt haben.«
Kip und ich kreischen los, sagen ihnen,
daß es uns genauso geht. Wir lachen zusammen, und es fühlt sich herrlich an.
»Möchtet ihr mit uns hingehen?« fragt
Tom.
»Zu Dr. Woo?«
»Ja.«
Die Einladung soll uns das Gefühl
geben, daß wir an Toms Krankheit Anteil nehmen, und obwohl ich es etwas
beängstigend finde, weiß ich, daß ich tun werde, was immer Kip wünscht.
»Wann?« fragt sie.
Ich merke, daß sie ebenfalls Angst hat.
»Um elf.«
Ohne zu zögern, sagt Kip: »Ich werde
meine Termine verlegen.«
»Großartig«, sagt Tom lächelnd und
schaut mich an.
»Ich komme mit«, sage ich
unerschrocken.
Tom greift nach Kips und nach meiner
Hand. Wir nehmen seine. »Ihr wißt nicht, wieviel mir das bedeutet«, sagt er,
und seine Augen glänzen. Er läßt meine Hand los, nimmt Sams Hand, und Sam nimmt
meine, so daß wir alle miteinander verbunden sind.
Dieser Moment ist unglaublich. Ich habe
das Gefühl, Teil von etwas ganz Außergewöhnlichem zu sein, und es ist wohl auch
so. Liebe pulsiert durch unsere Hände, unsere Arme, sie fließt durch uns. Wir
drücken alle gleichzeitig, dann lassen wir los.
»Also«, sagt Tom, »was gibt’s an neuem
Klatsch?«
Und wir legen los.
Ein paar Minuten nachdem Tom und Sam
gegangen sind, hämmert es an die Tür. Dann läutet es. Als wir Williams Stimme
hören, haben wir unwillkürlich ein Déjà-vu-Gefühl. Wir laufen zur Tür, um zu
öffnen.
William sieht verzweifelt aus, sein
Haar ist zerzaust, die Augen rotgerändert.
»Was ist los?« frage ich.
»Rick«, sagt er. »Er verläßt mich.«
Wir stürmen die Treppe hinauf, ich an
der Spitze. Ihre Wohnungstür steht offen, vermutlich hat William sie in seiner
Panik nicht zugemacht. Aus dem CD-Player ertönt Michael Feinsteins »Old
Friend«. Rick ist nicht im Wohnzimmer.
»Er packt«, sagt William.
Ich schaue Kip an.
»Ich finde nicht, daß wir hineingehen
sollten«, sagt sie.
William sagt: »Aber er wird mit seinen
Koffern herauskommen.«
»Er kann auch jederzeit wieder mit
Koffern hineingehen.« Kip glaubt, daß nichts, bis auf den Tod und Steuern,
unwiderruflich ist.
»Soll ich ihm nicht sagen, daß ihr hier
seid?« William sieht plötzlich wie der Incredible Hulk aus, als er mit
baumelnden Armen im Zimmer auf- und abgeht.
»Doch«, sage ich, aber da kommt Rick
schon heraus, mit einem Koffer und seinem Laptop-Computer in seiner schwarzen
Hülle.
Ich habe ihn noch nie so grimmig
gesehen. Wie stets ist sein Haar unordentlich, doch sein gewöhnlich lächelndes
Gesicht ist ernst, düster.
»Was ist denn das hier?« fragt Rick.
»Der Oberste Gerichtshof?« Er stellt sein Gepäck auf den Fußboden.
»Wo gehst du hin?« will ich wissen.
»Lauren, ich glaube nicht, daß dich das
irgendwas angeht.« Das tut weh, und ich nehme an, das merkt man, denn er fügt
hinzu: »Ich weiß, ihr meint es gut, aber das ist eine Sache zwischen William
und mir.«
»Aber wir sind eure Freunde«, sage ich.
Im Hintergrund singt Feinstein nach wie
vor über Freundschaft.
»Ihr seid meine Freunde, schön. Na und?
Was hat das damit zu tun?« Er durchquert den Raum und läßt die CD
herausspringen, schaltet den CD-Player aus und schleudert die Disc aufgebracht
auf einen Stapel
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