Immer wieder du: Roman (German Edition)
aber nicht so. Ich wollte immer nur, dass du glücklich bist.«
Sein Blick begegnet meinem über den Tisch hinweg, und diesmal kann ich nicht wegschauen. Mein Kopf fängt wieder an zu summen, und der Raum dreht sich. Die Kellnerin kommt mit den Hauptgerichten, und der Moment ist vorbei.
»Danke.« Ich lehne mich zurück, sie stellt einen Teller Ravioli mit Salbeibutter vor mich. Ben hat sich für ein Pfeffersteak entschieden.
»Erzähl mir, was passiert ist, nachdem du gegangen bist«, fasse ich mir ein Herz.
Er schaut mich an und widmet sich dann wieder seinem Essen. »Ich bin nach England gezogen und habe geheiratet.«
»Keine Kinder?« Wieso habe ich nicht schon längst danach gefragt?
»Nein.«
Ich bekomme wieder Luft.
»Das ging bei Charlotte nicht«, fügt er hinzu, und mir stockt das Herz. Wenn sie auf dem Gebiet erfolgreich gewesen wären, hätten sie sich also nicht scheiden lassen. »Aber deshalb haben wir uns nicht getrennt«, fährt er fort.
»Warum dann?« Ich bin erleichtert, will es aber genau wissen.
»Es hat nicht gestimmt. Von Anfang an nicht«, fügt Ben hinzu.
»Warum habt ihr dann versucht, eine Familie zu gründen?«
»Gute Frage.« Er lächelt schief. »Ich wollte, dass es stimmt. Wollte etwas aufbauen …« Er stockt mitten im Satz. »Außerdem hatte ich Heimweh.«
»Hat dir England nicht gefallen?«
»Doch, aber ich hatte Heimweh.«
Das kann ich verstehen. »Hattest du viele Freunde?«, frage ich, weil ich weiß, dass mich das damals gerettet hat, als ich mit der Schule anfing.
»Klar, aber die meisten waren Charlottes Freunde. Über die Arbeit habe ich zwei nette Typen kennengelernt, aber einer von denen ist raus aufs Land gezogen, und der andere hatte eine Familie, daher hatte er keine rechte Lust, mit uns um die Häuser zu ziehen.«
»Wo habt ihr gewohnt? Du hast im Londoner Zoo gearbeitet, stimmt’s?«
»Ja, und wir haben im Norden Londons gewohnt, in einem Vorort namens Crouch End«, erwidert er. »Kennst du den?«
»Ich habe davon gehört, war aber nie dort. Ich war eher in East London zu Hause.«
»Hast du nie daran gedacht, wieder nach England zurückzugehen?«, fragt Ben.
»Nein.« Ich spare mir den Zusatz: Weil du es mir vermasselt hast.
»Deine Schwestern und dein Vater sind also gerade hier?«
»Und Lorraine.«
»Klar.« Er lächelt wissend. »Was hat sie denn damals bekommen?«
»Wie bitte?«
»Ein Mädchen oder einen Jungen?«
»Ah! Ein Mädchen. Isabel«, sage ich. »Sie ist toll. Sie sind alle toll.«
»Fliegst du oft nach England, um sie zu besuchen?«
»Nein. Dad versucht, alle zwei Jahre mit der Familie herzukommen. Das ist gut so. Dadurch kann ich mitverfolgen, wie meine Schwestern groß werden. Obwohl, diesmal habe ich einen Schock bekommen, als ich Kay sah!«
»Warum das denn?«
»Sie ist jetzt fünfzehn. Eine kleine Erwachsene. Ist schon ein bisschen gruselig.«
Er nickt. »Und was ist mit deiner Mum? Was macht sie jetzt so?«
»Ihr geht es ganz gut. Sie wohnt in Bondi, arbeitet als Oberkellnerin in einem Restaurant. Wo wohnst du?«
»In Cremone, im Norden von Sydney.«
»Kenne ich.« Eigentlich ist es nicht so weit von Manly entfernt …
»Wo wohnst du jetzt?«, fragt er. Ich sage es ihm. »Hübsch«, lautet sein Kommentar.
»Mir gefällt es.« Ich stochere in meinen Ravioli herum.
»Keinen Hunger?«, fragt er.
»Nicht so viel, wie ich dachte.«
Ich schaue auf seinen Teller, aber er hatte kein Problem, sein Essen zu vertilgen – das war schon immer so. Ich muss schmunzeln.
»Wie ist es denn so, im Zoo zu arbeiten?«, frage ich.
»Ist halt ein Zoo«, erwidert er lapidar.
Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und schaue ihn durchdringend an. »Und der Zoo von London?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ein Zoo halt.«
»Dir sind Naturschutzparks lieber?«
»Das weißt du doch.«
»Das weiß ich?«
»›Zoos sind nicht echt genug für dich‹, hast du gesagt, oder so ähnlich.«
»Das weißt du noch?«
Anscheinend erinnert er sich an ebenso viele Gespräche wie ich. Er antwortet mir nicht. Wir schauen uns über den Tisch hinweg an. Beim Kerzenlicht wirken seine blauen Augen dunkler. Mein Blick wandert zu seinen Lippen. Großer Fehler. Ich lasse ihn schweifen, zu seinem Kinn, dann zu seinen Schultern, seinen Armen. Das T-Shirt sitzt so eng, dass ich die Muskeln darunter erkennen kann. Ich werde rot und schaue weg.
In Bens Gegenwart bin ich wieder sechzehn Jahre alt. Ich will diesen Mann. Ich will ihn wie nie zuvor.
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