Immer wieder du: Roman (German Edition)
hat ihre Grenzen.
Josh ist im Wohnzimmer und guckt fern, als ich schließlich aus meinem Zimmer komme. Mum und Michael sind vor einer halben Stunde gegangen.
»Ich dachte, du schläfst«, sagt er.
»Ich hab auch geschlafen«, erwidere ich. »Es ist ein erstaunliches Phänomen, aber die Menschen neigen dazu, wieder aufzuwachen.«
»Ich wollte gerade eine Pizza bestellen.« Josh nimmt meinen witzigen Sarkasmus gar nicht zur Kenntnis. »Guck mal, welche du willst.« Er reicht mir die Speisekarte einer Pizzeria, und ich lasse mich auf das dreisitzige Sofa fallen. Josh lümmelt sich in einen abgenutzten Sessel aus demselben blassblauen Samtstoff und hat die Füße auf dem Couchtisch aus Kiefernholz. »Dad hat uns Geld dagelassen«, fügt er hinzu.
»Oh«, mache ich. »Yippie!« Er sieht mich stirnrunzelnd an, und ich bemühe mich um eine unbeteiligte Miene, während ich die Speisekarte studiere. Ich weiß sofort, was ich will, und gebe ihm die Karte zurück. »Kann ich auch Crisps haben?« Ich deute mit dem Kinn auf die Packung Doritos mit Käsegeschmack, die auf dem Tisch liegt.
»Meinst du die Chips?«
»Da, wo ich herkomme, heißen die Dinger Crisps.«
»Da, wo du jetzt bist, heißen sie Chips.«
»Da ich nicht lange hierbleibe, werde ich meine Ausdrucksweise nicht ändern.«
»Aha? Wohin willst du denn gehen?«
»Zurück nach England, wenn du es unbedingt wissen willst.«
»Und deine Mum geht mit dir zurück?«
»Wieso, willst du sie nicht hier haben?«
»Wenn sie meinen Dad glücklich macht, kann sie gern bleiben.«
»Darauf würde ich nicht wetten.«
»Musst du eigentlich so ätzend sein?«, fährt er mich an.
»Muss ich nicht, nein.«
»Gut.«
»Es ist eine bewusste Entscheidung.«
Er funkelt mich zornig an. »Also, kann ich nun einen Crisp haben, oder was?« Da Josh nicht auf der Stelle antwortet, beuge ich mich vor und schnappe mir die Tüte.
»Bedien dich ruhig«, knurrt er, als ich mir den Dorito längst in den Mund geschoben habe. Er greift nach dem Telefon auf einem Beistelltisch. »Weißt du schon, was du haben willst?«
»Hawaii«, antworte ich.
»Dasselbe wie ich.«
»Sollen wir uns vielleicht eine teilen?«
»Nein, ich will eine ganze.«
»Teilst du nicht gerne?«
»Ich teile immerhin mein Haus mit dir.«
Innerlich bin ich angespannt, versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen. »Ist ja wohl groß genug«, murmele ich. Josh beachtet mich nicht weiter und wählt die Nummer.
Mein neues Zuhause hat vier Schlafzimmer, von denen zwei Mum und mir zugewiesen worden sind, obwohl es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis sie bei Michael schläft. Die Küche ist nicht zu klein, das Wohnzimmer sogar ziemlich groß. Zu Michaels Zimmer gehört ein Bad, alle anderen nehmen das große – das heißt, ich muss es mit Josh teilen. Super. Da kann er noch so gut aussehen – wenn er nasse Handtücher auf dem Boden liegen lässt, schwöre ich, dass ich sie ihm aufs Bett werfe.
Josh legt den Hörer auf und stellt den Fernseher lauter. Schweigend sitzen wir da, bis es eine halbe Stunde später an der Tür klingelt: Das Abendessen ist da. In der Zwischenzeit grüble ich nach. Ich bin eigentlich keine Zicke, ich hab nur … Ach, keine Ahnung. Plötzlich fühle ich mich leer.
Josh kommt mit den Pizzakartons zurück und wirft sie auf den Couchtisch.
»Gehst du morgen zur Arbeit?«, frage ich und kämpfe mit den Mozzarella-Fäden, die hartnäckig an einem Stück Pizza kleben. Josh hat offensichtlich nicht viel für Besteck und Geschirr übrig.
»Morgen ist Sonntag, also nein«, erwidert er patzig.
»Ich hab vergessen, welcher Tag heute ist«, sage ich leise. »Das kann passieren, wenn man gerade aus seinem Leben gerissen wurde.«
Josh schaut mich an, und sein Blick wird weicher. »Das sieht meinem Dad überhaupt nicht ähnlich«, erklärt er.
»Für meine Mum ist es typisch«, entgegne ich mit hartem Ton und ziehe mir den Pizzakarton auf den Schoß. »Schon wieder Werbung! Wie viele Werbespots habt ihr hier eigentlich?«
Josh murmelt etwas vor sich hin und beißt einen Riesenhappen von seiner Pizza. Den Rest seiner Mahlzeit bestreitet er schweigend.
»Wann gehst du denn nun zurück nach England?«, fragt er schließlich.
Ich streiche mein dunkles Haar zur Seite. »Sobald ich achtzehn bin.«
Er wirft mir einen neugierigen Blick zu. »Wie alt bist du denn?«
»Fünfzehn, fast sechzehn. Und du?«
»Achtzehn.« Pause. »Ich hätte dich für älter gehalten.«
»Verdammt, du hast mich
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