Immer wieder du: Roman (German Edition)
auf die in den Nachrichten am Vorabend angekündigten fünfunddreißig Grad steigt, werde ich bereuen, mich für eine Ganzkörperhülle entschieden zu haben, aber ich bin noch nicht bereit, der Welt meine bleichen Gliedmaßen zu zeigen. Ich will die Schranktüren wieder schließen, aber zögere kurz. Ich bücke mich und ziehe eine kleine schwarze Kameratasche hervor. Soll ich die heute mitnehmen? Werde ich sie benutzen?
Als vorgezogenes Geburtstags- und Abschiedsgeschenk habe ich von meinem Vater eine Nikon F60 bekommen, und ich musste ihm versprechen, viele Fotos zu machen, damit er mich nicht zu sehr vermisst. Ein stechender Schmerz durchfährt mich, und ich schiebe die Tasche vorsichtig wieder in den Schrank zurück.
Josh liegt noch im Bett, als wir um Viertel vor acht aufbrechen. Michael fährt einen weißen Pick-up, der vorn drei Sitze hat. Rückwärts setzt er über die Kiesauffahrt auf die Straße. Wir biegen nach links ab und fahren in die andere Richtung als die, aus der Mum und ich am Vortag gekommen sind. In den benachbarten Gärten hängen weiße Netze locker über zahlreichen Bäumen. Sie erinnern mich an Kinder, die sich Halloween mit Bettlaken als Geister verkleiden.
»Sind das Obstbäume?«, frage ich Michael.
»Yep. Kirschen, Nektarinen, Pfirsiche … Die Netze halten die Vögel ab. Wir haben hinten im Garten einen Aprikosenbaum. Iss, so viel du willst, denn am Ende landet das Obst immer auf dem Boden und verfault, weil es keiner will.« Er schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Die reine Verschwendung.«
Irgendwann biegt Michael nach links ab auf einen unbefestigten Weg, der steil hinauf in die Berge führt. Meine Ohren setzen sich zu, und ich muss mehrmals schlucken. Michael kurbelt seine Scheibe herunter, ich tue es ihm nach. Ein angenehmer Duft zieht herein, gepaart mit dem Aroma von Tau, den die frühe Morgensonne von den Farnen am Wegesrand verdunsten lässt.
»Was ist das für ein Geruch?«, frage ich.
»Eukalyptus«, antwortet Michael und zeigt aus dem Fenster. »Von den ganzen Eukalyptusbäumen.«
Ich atme tief ein, und ein unerwartetes Glücksgefühl breitet sich in mir aus. Ich bin überrascht.
»Arbeitest du sonst auch sonntags?«, frage ich Michael.
»Manchmal«, erwidert er. »Wir alle müssen gelegentlich sonntags arbeiten.«
»Was machst du denn genau?«
»Ich bin leitender Tierpfleger. Ich kümmere mich unter anderem um die Teufel und die Dingos.«
»Cool. Ob wohl jemand was dagegen hat, wenn ich heute mitkomme?«
»Natürlich nicht, Schätzchen! Josh ist immer mitgekommen, bevor seine Mutter starb.«
Ich frage mich, was es mit dem Tod von Joshs Mutter auf sich hat, wenn er danach nicht mehr in den Naturschutzpark wollte. Wie seine Mum wohl gestorben ist und so. Ich will Michael fragen, aber es kommt mir irgendwie nicht richtig vor.
Oben auf dem Berg biegen wir nach links ab, zurück auf die Hauptstraße, und nach einer Weile geht es rechts durch rostige schmiedeeiserne Tore in den Naturschutzpark. Die Stadt nehme ich nur schemenhaft hinter den Eukalyptusbäumen wahr. Schließlich öffnet sich die Straße zu einem großen Parkplatz. Michael fährt in den Bereich für das Personal und stellt den Motor ab. Wir steigen beide aus, und ich folge ihm nervös durch die Tore. Allmählich bereue ich meinen spontanen Entschluss, ihn zu begleiten, wo ich doch im Haus hinter verschlossener Zimmertür sein könnte und mit niemandem sprechen müsste.
»Morgen, Jim!«, ruft Michael, als ein Mann in ähnlicher Aufmachung wie er – beigefarbene Shorts und ein dazupassendes langärmeliges Hemd – uns entgegenkommt.
»Morgen, Mike. Und wer ist das?«
»Lily!«, dröhnt Michael, dann fügt er leise hinzu: »Cindys Tochter.«
»Oh, schön!«, ruft der Mann namens Jim aus. »Ihr seid gestern angekommen, stimmt’s?«
»Ja.«
»Wie war euer Flug?«
»Lang«, erwidere ich, während eine lästige Schmeißfliege um mein Gesicht herumsummt.
»Ich dachte, Lily wollte vielleicht mal aus dem Haus«, erklärt Michael.
»Klasse. Und was hat deine Mum heute vor?«
Ich zucke mit den Schultern. »Sie ist, äh, im Haus.« Ich bringe es nicht über die Lippen, »Zuhause« zu sagen.
»Tja, wir sind alle ganz wild darauf, sie kennenzulernen. Und dich natürlich auch. Ich muss dann mal. Bin auf dem Weg zu Trudy wegen meines Stundenzettels. Schönen Tag noch!«, ruft er uns über die Schulter zu, während er auf das Büro rechts von uns steuert.
»Komm mit!«, fordert Michael mich
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