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Immer wieder du: Roman (German Edition)

Immer wieder du: Roman (German Edition)

Titel: Immer wieder du: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paige Toon
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haben, und es ist sehr eigenartig, wie stark er nach unserem alten Zuhause riecht. Einen Moment lang schließe ich die Augen, und die Erinnerungen überfluten mich. Ich weiß noch, wie ich ihn damals packte, nachdem Mum mit Michael Schluss gemacht hatte. Das war eine schreckliche Zeit. Michael war am Boden zerstört, und Mum wollte nur so schnell wie möglich weg. Josh kam in mein Zimmer, während ich meine Sachen zusammensuchte, und ich musste ihn bitten, mich allein zu lassen, weil ich völlig durcheinander war. Er war damals einundzwanzig, fast zweiundzwanzig, wohnte aber noch bei seinem Dad. Ich weiß, wie froh ich war, dass Michael nicht allein sein würde, wenn wir zur Tür hinaus verschwanden. Und ich kann mich noch an seinen Gesichtsausdruck erinnern, als ich ihm zum Abschied einen Kuss gab. Mum konnte ihn kaum ansehen, geschweige denn umarmen. Ach, es war grauenvoll. Entsetzlich. Das Wort benutze ich normalerweise nicht, aber es fasst das Ganze ziemlich gut zusammen.
    Ich ziehe meine Schulhefte hervor und blättere sie durch, grinse über die Bemerkungen der Lehrer – Bewertungen, die ich zu schlucken hatte – immer noch besser, als von mir selbst enttäuscht zu sein. Ich lege die Hefte beiseite, bevor mich Reue überkommt, und plötzlich fällt mein Blick auf braune Spinnenbeine, die unter einem zusammengefalteten Poster hervorlugen. Ich springe vom Bett und schlage die Hand vor den Mund. Haben sie sich bewegt? Ich glaube nicht. Ich mache einen vorsichtigen Schritt auf den Karton zu und spähe hinein. Definitiv tot. Puh. Die Spinne muss hineingeschlüpft sein, als ich vor all den Jahren diesen Karton packte.
    Ich greife nach einem Papiertuch und hole den toten Eindringling mit vor Ekel verzogenem Gesicht heraus. Schaudernd lasse ich das Tier in den Papierkorb fallen und mache da weiter, wo ich aufgehört habe. Ich ziehe das Poster hervor und falte es auseinander. Es ist eins von Fence , bevor sich die Band trennte und ihr Frontsänger Johnny Jefferson eine Solokarriere startete. Ein anderes zeigt Blur , dazu ein paar CDs, Bücher, alter Modeschmuck und … o mein Gott. Da liegt sein Hemd. Sein Hemd. Das ich mitgenommen und nie wieder zurückgegeben habe. Ich nehme es in die Hand und atme tief ein. Irgendwo in den Tiefen des Stoffs kann ich ihn noch riechen. Oder ist es nur Einbildung? Ein Jahr lang hat es nachts unter meinem Kopfkissen gelegen, und ich hatte immer Angst, meine Mutter würde es finden. Behutsam lege ich es zur Seite und dann – da ist sie, meine Kamera. Darunter stapelweise Fotos. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Kraft dafür aufbringe.
    Einen Moment lang schließe ich die Augen und spüre das Gewicht der Kamera in meinen Händen. Und dann sehe ich die Aufnahmen vor mir, die ich damals machte, eine nach der anderen, als würde ein Projektor in meinem Hirn klicken. Silvesterkonfetti, das in der heißen australischen Sonne glitzert, ein riesiges Schaukelpferd, ein Känguru namens Ken, Olivia, der Koalabär, der Lilienteich …
    Aber kein Ben. Ich weiß noch genau, dass ich von Ben keine Fotos gemacht habe.
    Aber du hast eins von mir gemacht, nicht wahr? Hast du es dir je angesehen? Fragst du dich jemals, was hätte werden können?
    »Du hast nicht gesagt, was du zu Mittag essen willst.«
    Schuldbewusst fahre ich beim Klang der Stimme meiner Mutter zusammen.
    »Hast du mich erschreckt!«
    »Tut mir leid. Was sitzt du hier mit geschlossenen Augen herum?«, fragt sie.
    »Ich ruhe mich aus.«
    »Du ruhst dich aus?«, spottet sie. »Ich dachte, du wärst gestern Abend zu Hause geblieben?«
    »War ich auch. Was ist denn im Angebot? Zum Mittagessen, meine ich«, füge ich hinzu, als sie mich verwirrt ansieht.
    »Ach so. Ein Sandwich, Suppe?«
    »Ein Sandwich, bitte. Auf der Arbeit kriege ich jeden Tag Suppe. Soll ich es machen?«
    »Nein, nein. Damit komme ich schon allein klar«, erwidert Mum amüsiert. »Käse? Hühnchen?«
    »Käse ist gut.«
    »Dann will ich mal.«
    »Danke«, murmele ich und wende mich wieder meiner Kamera zu. Vorsichtig lege ich sie aufs Bett und greife nach den Fotos im Karton. Sie sind besser, als ich sie in Erinnerung habe, was mich überrascht. Mein Bedauern wird übermächtig. Warum habe ich aufgehört zu fotografieren? Warum nur?
    Ich sitze immer noch da und starre ins Leere, als meine Mutter wieder auftaucht.
    »Mittagessen ist fertig.«
    »Okay, super.« Ich schaue auf den geöffneten Karton. »Ich komme gleich.«
    »Lass ihn da stehen. Ich räume später

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