Immer wieder du: Roman (German Edition)
halte einen Augenblick inne, als ich an die Fotos denke. Die könnte ich doch auch mitnehmen, oder? Nein, sie sind zu schwer, um sie den Berg hinauf nach Hause zu schleppen, und wie es aussieht, muss ich den Bus zurück zur Fähre noch bekommen.
»Hast du das alte Ding immer noch?« Mum deutet mit einem Kopfnicken auf die Kamera, als ich aus dem Gästezimmer trete.
»Ja, ich dachte, ich nehme sie mit.«
»Du solltest sie einer wohltätigen Organisation spenden. Ich fasse es nicht, dass dein Dad dir so einen klobigen Apparat geschenkt hat.«
»Als er mir die Kamera kaufte, war sie nicht klobig«, stelle ich fest. »Im Übrigen gefällt sie mir.«
»So sehr, dass sie jahrelang im Karton gelegen hat.«
»Jetzt aber nicht mehr.«
»Er müsste dir eine neue besorgen, würde ich sagen. Geld genug hat er ja.«
»Ich brauche Dad nicht, um mir eine neue Kamera zu kaufen, also hör auf damit, ja?«
»Schon gut, schon gut. Wann kommen sie her?«
»In ein paar Wochen. Ich kann es kaum erwarten, die Mädchen wiederzusehen.«
»Ich nehme an, Lorraine kommt mit?« Mum kann Lorraine nicht ausstehen. Das hört man an ihrem Tonfall.
»Natürlich.«
»Ich hoffe, sie benutzen Verhütungsmittel. Ich finde es unglaublich, dass sie in ihrem Alter ein drittes Kind bekommen hat.«
»Sie war erst fünfunddreißig!«
Mum verzieht das Gesicht, daher gehe ich zu ihr und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. »Tschüss, Mum. Bis bald, ja?«
»Wenn du dich mal wieder blicken lässt.«
»Du weißt, dass du immer vorbeikommen und Richard und mich besuchen kannst.«
»Nein, ihr habt zu viel zu tun. Ich auch. Ich übernehme zurzeit alle möglichen Schichten.«
»Bekommst du noch immer so gutes Trinkgeld?«
»Das beste.« Sie lächelt selbstgefällig, und so lasse ich sie allein.
»Woher hast du die?«, fragt Richard später und betrachtet die Kamera.
»Das ist mein alter Fotoapparat. Mein Dad hat ihn mir geschenkt, als wir nach Australien zogen. Ich habe früher viel fotografiert.«
»Echt?«
»Ja. Ich war sogar ziemlich gut«, gebe ich zu.
»Ziemlich gut?«, hänselt er. Ich werde rot, statt zu antworten, und er bedrängt mich nicht weiter. »Wie ging’s deiner Mum?«
»Ganz okay, würde ich sagen. Sie hat nach dir gefragt.«
»Wie schön«, sagt er halbherzig.
»Ich habe ihr gesagt, dass wir heiraten wollen.«
»Ach ja?« Überrascht schaut er auf.
»Ja.«
»Ich dachte, wir erzählen es unseren Eltern gemeinsam?«
»Tut mir leid, ist mir einfach so rausgerutscht.«
»Wie hat sie reagiert?«
»Sie hat sich für uns gefreut, irgendwie.«
Er lacht sarkastisch. »Das kann ich mir gut vorstellen. Ich hoffe, es war eine nützliche Übung für dich, denn morgen sind wir bei Mum und Dad zu einem späten Lunch eingeladen. Sally und Brenda werden auch da sein.«
Sally und Brenda sind Richards Schwestern. Sie sind sehr von sich überzeugt. Sally ist achtzehn Monate jünger als Richard, Brenda etwa drei Jahre älter. Keine hat sich bisher häuslich niedergelassen, aber von Nathan weiß ich, dass Sally ein Auge auf einen seiner Angestellten geworfen hat.
»Ach ja?«
»Kein Grund, Begeisterung zu heucheln«, sagt Richard scherzhaft. Er weiß, dass ich kein großer Fan seiner Schwestern bin, und offen gestanden wird es schwer genug, es seinen Eltern beizubringen – da brauchen wir nicht noch zwei, die im Hintergrund lästern.
»Hier, für dich, Schätzchen.«
»Danke.« Erfreut nehme ich ein Glas Sekt von Richards Dad entgegen. Den werde ich brauchen.
Das Haus von Anne und Joe steht in Mosman, von Manly aus eine kurze Strecke mit dem Auto. Ich besitze keinen Wagen, weil ich bequem mit der Fähre zur Arbeit pendeln kann, daher mussten wir Richards Pick-up nehmen. Er hält ihn einigermaßen sauber, aber ich habe immer das Gefühl, dass er dreckig ist. Deshalb bedauerte ich, mich für ein cremefarbenes Kleid entschieden zu haben, sobald ich in die Fahrerkabine stieg.
»Wunderbar siehst du heute aus, Lily«, sagt Richards Mutter Anne.
»Danke.« Spontan will ich mir den Staub vom Kleid wischen. »Ich hoffe, es sind keine Flecken drauf«, sage ich.
»Nein, nein.« Sie sieht nach hinten, während ich mich umdrehe und einen Blick auf meinen Hintern werfe. »Es ist perfekt.«
Ich mag Richards Eltern durchaus, aber ich fühle mich nicht wohl bei ihnen. Komisch, denn sie waren immer nett zu mir.
Anne ist eine füllige Frau mit dichten braunen Locken, ungefähr einsfünfundsechzig groß. Richards grauhaariger Vater Joe
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