Immer wieder du: Roman (German Edition)
auf. Komm und unterhalt dich mit mir.«
Zaudernd stehe ich auf und verlasse das Zimmer, weiß aber, dass ich später zurückkehren werde, um meine Sachen zusammenzupacken. Ich möchte nicht, dass meine Mum etwas davon anrührt, schon gar nicht die Fotos.
Wir setzen uns zum Essen an den kleinen runden Tisch.
»Hast du viel von Jeremy gesehen, seit er – du weißt schon?«, frage ich.
»Nö. Der Feigling hat sich mit dem Schlüssel hier reingelassen und sein Zeug ausgeräumt, während ich arbeiten war. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Du bist ganz schön neben der Spur«, stelle ich fest.
Sie zuckt gelassen mit den Schultern. »Ich weiß.«
»Josh kommt in zwei Wochen.«
»Ach ja?« Sie versucht, desinteressiert zu klingen.
»Soll ich mit ihm herkommen, um hallo zu sagen?«
»Wieso sollte ich das wollen?«
»Ich weiß nicht, ich dachte, du vermisst ihn vielleicht.«
Sie lacht. »Ganz und gar nicht. Ich bin überrascht, dass ihr beiden noch Kontakt habt.«
»Warum?«
»Nun ja, er schien mir – und krieg das bitte nicht in den falschen Hals – eine Nummer zu groß für dich.«
»Vielen Dank!«
Mum lacht, was meine Verärgerung nicht mildert. »Meinst du, Richard ist auch eine Nummer zu groß für mich?«, hake ich entrüstet nach.
»Nein, nein, heute bist du eher ein guter Fang.«
»Was soll das heißen?«
»Ach, du weißt schon, Lily, du hast damals nicht sehr viel aus dir gemacht. Es hat eine Zeit gegeben, da dachte ich, du wärst lesbisch.«
»Mum!«
Sie lacht wieder, hat offensichtlich ihren Spaß daran. »Was ist mit Dan? Dachtest du auch, dass er eine Nummer zu groß für mich wäre?«
»Auf jeden Fall. Du denn nicht, Liebes? Ich meine, guck dir doch an, wie es ausgegangen ist.«
Jetzt bin ich wirklich sauer.
»Ach, Süße, reg dich nicht auf. Sieh dich jetzt an – du bist toll. Richard ist ein junger Mann, der sich sehr glücklich schätzen kann.«
»Er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will.«
»Was?«
Ich winde mich, innerlich wie äußerlich. Ich hatte nicht vor, es ihr zu sagen, es ist einfach rausgerutscht.
»Was hast du geantwortet?«, fragt sie, als ich stumm bleibe.
»Ich habe Ja gesagt«, erwidere ich.
»Tatsächlich?« Sie wirkt überrascht, und zwar nicht angenehm.
»Ja.«
»Oh.« Mum zieht die Mundwinkel nach unten und nimmt ihr Sandwich in die Hand.
»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?« Ich werde wieder sauer.
»Was soll ich denn sonst sagen?«
»Glückwünsche wären nett.«
»Herzlichen Glückwunsch, Schätzchen.«
»Aber du meinst es nicht ehrlich!«
»Du kennst mich doch und weißt, was ich vom Heiraten halte. Ich hätte nicht gedacht, dass das heutzutage noch jemand macht.«
»O doch. Und ich werde heiraten. Okay?«
»Natürlich. Es ist dein Leben.«
»Ach man, du machst mich echt wütend!« Angewidert werfe ich mein Sandwich auf den Teller.
»Sei nicht so empfindlich«, mahnt sie, was auch nicht gerade hilft. Eine Weile spricht keine von uns ein Wort. Ich sitze da und weigere mich zu essen, weil ich vor Wut schäume. »Hast du einen Verlobungsring?«, fragt sie.
»Meinst du nicht, ich würde ihn dann auch tragen?«
»Bekommst du noch einen?«, hakt Mum nach, ohne auf meine Frage einzugehen.
»Nein.«
»Wirklich nicht? Ich dachte, Richard könnte sich einen Verlobungsring leisten.«
»Kann er, Mum, aber ich will keinen.«
»Nicht? Die Diamanten sind das einzig Gute am Heiraten, wenn du mich fragst.«
»Tja, warum hast du es dann nicht öfter getan?«, sage ich erzürnt. »Gelegenheit hattest du schließlich genug. Im Übrigen ist Michael mit Janine sehr glücklich.«
»Schön für sie«, sagt sie ungerührt.
Kurz danach breche ich auf, nicht ohne zuvor in meinem Zimmer meine Sachen einzupacken. Ich atme noch einmal den Geruch von Bens Hemd ein und lege die Fotos wieder in den Karton, wobei mich immer wieder schmerzhaftes Bedauern überfällt. Ich nehme die Kamera in die Hand, kann mich aber nicht überwinden, sie wegzulegen.
Warum nimmst du sie nicht mit? Warum fotografierst du nicht wieder?
Zu spät dafür.
Es ist nie zu spät.
Hör auf, Ben! Geh mir aus dem Kopf!
Aber nichts in der Welt kann mich von meiner Kamera trennen. Ich bringe es nicht einmal über mich, sie beiseitezulegen, um den Karton wegzustellen, daher hänge ich sie mir um den Hals, und ein eigenartiges Hochgefühl überkommt mich, als ich ihr Gewicht auf der Brust spüre. Ich steige auf den Stuhl, schiebe den Karton wieder ins obere Regal und
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