Immer wieder du: Roman (German Edition)
grünen Blätter?« Ich wende mich an Ben. »Ich habe vorhin ein Känguru getroffen. Es war enttäuscht, dass ich ihm nichts zu fressen mitgebracht habe.«
»Die mögen die Pellets, die man am Eingang kaufen kann.«
»Danke für den Tipp. Vielleicht hol ich mir später welche. Von den Emus habe ich mich allerdings ferngehalten. Mir hat nicht gefallen, wie sie aus ihren kleinen Knopfaugen gucken.«
Er lacht, und im Hinblick auf die Schlange der Wartenden sage ich: »Ich gehe wohl lieber weiter.«
»Schon gut, da kommt unsere Ablösung.«
Die Frau, die ich als Janine, die Kartenfrau, wiedererkenne, tritt durch das Tor auf der anderen Seite der kleinen Einfriedung. Sie trägt einen zweiten Koala auf dem Arm.
»Hallo«, sagte Janine zu mir, und ich trete zur Seite, als Ben seinen Koala von der Sitzstange hebt. »Wie geht’s mit dem Jetlag?«
»Ganz gut, danke.« Das Wort Jetlag kenne ich von meinem Dad, der einmal nach Amerika geflogen ist.
»Möchtest du mitkommen und Cindy zurückbringen?«, fragt Ben mich und setzt den Koala wie ein kleines Kind auf seine Schultern.
»Hm«, erwidere ich zögernd. Ich will ihm nicht im Weg sein, aber bis elf Uhr, wenn die Tasmanischen Teufel gefüttert werden, habe ich noch ein bisschen Zeit. »Ja, gern, wenn das in Ordnung ist?«
»Klar.«
Ich folge ihm durch das Tor, und Cindy sieht mich über die Schulter an und kaut dabei träge auf einem Blatt.
»Wie viele Koalas habt ihr?«, frage ich.
»Ungefähr fünfzig«, ruft er nach hinten. »Die Tiere, die mit den Touristen fotografiert werden, dürfen nur zwanzig Minuten pro Tag Kontakt haben, daher brauchen wir ziemlich viele, besonders wenn das eine oder andere Tier mal nicht gut drauf ist.«
Ben geht zu dem näheren der beiden Koala-Häuser, auch »Verschläge« genannt, wie ich später erfahre. Man sieht ein paar Koalas, die sich auf den Ästen eines Eukalyptusbaums zusammenkuscheln. Der Tierpfleger steigt über die Absperrung und setzt Cindy sanft auf einem Ast ab, den sie vorsichtig hinaufklettert bis ins Dunkle unter der hölzernen Dachtraufe. Auf einem Schild steht Psst … bitte Ruhe! Koalas haben ein sehr empfindliches Gehör . Als daher Bens Funkgerät zu knacken beginnt, springt er über die Absperrung zurück, eilt davon und gibt mir ein Zeichen, ihm zu folgen.
»Yep?«, meldet er sich.
»Ben, hier ist Michael«, kann ich trotz des Summens hören. »Hab ein Problem mit einem Wombat. Kannst du den Vortrag bei den Teufeln halten?«
»Klar. Lily ist gerade bei mir.«
»Wie macht sie sich?«
»Sie hat eben Cindy kennengelernt.«
Ich vernehme ein kehliges Lachen, und Ben kneift die Lippen zusammen in dem Versuch, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen.
»Bringst du sie bitte zum Mittagessen in den Aufenthaltsraum?«
»Geht klar.«
»Danke, Kumpel.«
Ein letztes Knacken, dann ist die Leitung unterbrochen.
»Du musst nicht auf mich aufpassen«, sage ich rasch.
»Komm mit!«, erwidert Ben, Lachfältchen um seine blauen Augen.
»Wo gehen wir hin?«
»Futter für die Teufel holen.« Ich folge ihm über einen Weg, der von Gras und dichtem Gebüsch gesäumt wird. »Und gleich erzählst du mir, wie die Verabredung von deiner Mum und Michael gestern Abend gelaufen ist«, fügt er hinzu.
»Ha! Na ja, heute Morgen machten sie jedenfalls einen ziemlich zufriedenen Eindruck.«
»Im selben Zimmer geschlafen?«
»Du bist ja gar nicht neugierig, was?«
Er lacht. »Soll also Ja heißen.«
Ich schnalze missbilligend mit der Zunge und sage dann: »Jetzt bist du an der Reihe: Wer war zuerst da, der Koala oder meine Mum?«
»Wie kommst du darauf, dass der Name kein Zufall ist?«
»Ich glaube nicht an Zufälle.«
»Na schön, eine Woche, bevor Cindy hergebracht wurde, bändelte Michael mit deiner Mutter an.«
»Also habt ihr den Koala nach meiner Mum benannt? Ich schätze mal, sie wäre geschmeichelt. Obwohl die Koalabärin mir ein bisschen leid tut. Was ist ihr eigentlich passiert? Der Bärin, meine ich.«
»Ihre Mutter wurde von einem Wagen angefahren. Cindy wurde von ihrem Rücken geschleudert, und der Fahrer hat sie zu uns gebracht.«
Das Lächeln auf meinem Gesicht verschwindet. »Ihre Mutter ist gestorben?«
»Leider ja.«
»Das ist ja schrecklich!«
Er zuckt leicht mit den Schultern. »So was kommt vor.«
Wir gelangen zu einem kleinen flachen Backsteingebäude mit einem grünen Wellblechdach. Ben schließt auf, geht hinein, hält mir die Tür auf und schaltet gleichzeitig das Licht an. Eine lange Reihe
Weitere Kostenlose Bücher