Immer wieder du: Roman (German Edition)
sage ich leise und schaue nach links aus dem Fenster.
»Sollen wir nachsehen, ob er zu Hause ist?«, fragt Richard.
Ich schüttele den Kopf. »Sein Pick-up ist nicht da. Er muss bei der Arbeit sein.«
»Man kann nie wissen«, meint Richard hoffnungsvoll.
Ich gebe nach und schnalle mich ab. Richard folgt mir über den Kiespfad bis zur Haustür. Instinktiv lege ich eine Hand auf den Türknauf und drehe. Als die Tür aufgeht, halte ich überrascht inne. Michael hat nie abgeschlossen, wenn er zu Hause war. Leise mache ich die Tür wieder zu und klopfe. Mein Magen verkrampft sich nervös. Darauf bin ich nicht vorbereitet.
Kurze Zeit später wird die Tür geöffnet, und Michael steht vor mir. Auf seinem Gesicht spiegeln sich Verblüffung, Wiedererkennen und schließlich Freude.
»Lily!«, dröhnt er. »Du bist es wirklich!«
Ich nicke lächelnd. »Ja, ich bin’s.« Bevor ich den Satz zu Ende sprechen kann, hat er mich in die Arme geschlossen.
»Was machst du hier?« Er hält mich an den Armen fest und strahlt mich an.
»Wir sind zu Kevin Stamfords Beerdigung hier. Weißt du, der Vater von Tammy und Shane.«
»Ach ja. So ein Schock«, bestätigt er und sieht Richard an.
»Das ist Richard«, stelle ich vor. Michael lässt mich los und gibt Richard die Hand.
»Hallo! Ich habe von meinem Sohn viel über dich gehört. Weiß Josh, dass du hier bist?«
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, es ihm zu sagen. Geht er zur Beerdigung?«
»Bestimmt. Kommt doch bitte herein! Wollt ihr eine Tasse Tee?«
»Ja, gern.« Das kann ich nicht abschlagen! »Als ich deinen Pick-up nicht gesehen habe, dachte ich, du wärst bei der Arbeit«, sage ich, sobald wir uns in der Küche an denselben alten Tisch gesetzt haben, auf dem noch immer eine grüne Plastikdecke liegt.
»Nein, Janine hat heute den Wagen.«
»Wie geht’s ihr?«, frage ich.
»Prima.« Er lächelt. »Sie wird traurig sein, wenn sie dich verpasst.«
»Richte ihr bitte liebe Grüße aus.«
»Mach ich, Schätzchen.« Ich möchte nicht über den Naturschutzpark sprechen und bekomme es mit der Angst zu tun, als Michael fortfährt. »Janine hat nie begriffen, wieso du die Arbeit einfach hingeschmissen hast.« Unbehaglich rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her, denn Richards Gegenwart an meiner Seite ist mir sehr wohl bewusst. »Sie erzählt immer, dass du so gut mit den Koalas umgehen konntest. Ich glaube, sie dachte, du würdest eines Tages zurückkehren, aber ich vermute, du hast Größeres und Besseres ins Auge gefasst. Josh sagt, du arbeitest jetzt im Verlagswesen?«
»Ich würde nicht behaupten, dass es größer oder besser ist«, protestiere ich.
»Klingt in meinen Ohren ziemlich spannend«, bemerkt Michael.
»Ich sitze bloß am Empfang«, sage ich lahm.
»Bloß am Empfang«, wiederholt Richard tadelnd und wendet sich dann an Michael. »Sie ist zu bescheiden.«
»Das war sie schon immer«, stimmt Michael ihm mit wissendem Blick zu. »Was ist mit dir, Richard? Was machst du beruflich?«
Ich würde alles dafür geben, mich nach Ben erkundigen zu können, aber ich schaffe es nicht.
»Warum hast du denn nun wirklich aufgehört?«, fragt Richard, als wir wieder im Wagen sitzen.
»Die Schule fing an, nichts Besonderes«, antworte ich wegwerfend. »Was hältst du von Michael? Er ist nett, nicht wahr?«
Richard nickt. »Ja, richtig nett.«
»Ich kann nicht glauben, dass meine Mum ihn verlassen hat.«
Richard zieht die Augenbrauen hoch. »Kein Kommentar.«
Ich grinse und bin erleichtert, dass mir weitere Fragen erspart bleiben. »Wohin jetzt?«
»Können wir am Naturschutzpark vorbeifahren?«
»Da drüben ist er.« Ich weise auf den Grenzzaun.
»Was ist das?«, fragt er und schaut zum Berggipfel empor.
»Carminow Castle.«
»Können wir da hoch?«
»Na gut.« Ich gebe klein bei. »Ich werde dich zum Mount Lofty fahren, damit du die Aussicht genießen kannst.« Ich kann es nicht glauben, dass ich das wirklich mache.
»Schön!«, schwärmt Richard, als er hinunter auf die Stadt und das Meer schaut. Ich habe ihn durch das Foyer geführt und irgendwie die Willenskraft aufgebracht, die Gebäudeseite zu meiden, von der aus man einen Blick auf Piccadilly Valley hat. Doch selbst hier quält mich eine Vision von dunkelblauen Augen, die mich im Dunkeln anstarren.
Mein klingelndes Handy reißt mich aus meinen Tagträumen. Ich krame es aus der Tasche und schaue aufs Display.
»Hi, Josh.«
»Hey, du bist wieder da!«
Richard sieht mich an, und ich bedeute ihm,
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