Immer wieder du: Roman (German Edition)
entgegne ich. Sie liegt vor uns auf dem Couchtisch.
»He!«, ruft er. »Bist du noch immer sauer auf mich?«
»Merkst du das nicht, verdammt?«, schimpfe ich. Ich habe hier gesessen und geschmollt, während er sich fröhlich irgendeinen Schrott in der Glotze angesehen hat. Er müsste doch wissen , dass er mich verletzt hat!
»Aber Lily, ich hab doch gar nichts gesagt.« Er ist verstört und entsetzt über meine Reaktion.
»Du hast gesagt, ich wäre eine Sekretärin gewesen«, brülle ich ihn förmlich an.
»Na und?«, meint Richard. »Was ist denn daran falsch, Sekretärin zu sein? Oder Empfangsdame? Ich weiß nicht, was in dich gefahren ist. Du warst doch vorher ganz zufrieden.«
»Ich war nie zufrieden!«, schreie ich. »Das einzige, was mich je glücklich gemacht hat, war Tierpflege und Fotografieren!«
»WAS?« Er ist völlig außer sich. »Was redest du da von Tierpflege?« Auch er hebt jetzt die Stimme, und plötzlich erfüllt mich tiefe Ruhe. Ich habe Richard nicht erzählt, dass ich als Teenager in einem Naturschutzpark gearbeitet habe. Ich habe versucht, die Erinnerung auszublenden, weil sie zu schmerzhaft war. Jetzt ist es raus, und ich bin ihm eine Erklärung schuldig. »Lily, was zum Henker ist los?«
Ich seufze und schließe die Augen. Darauf will ich mich wirklich, wirklich nicht einlassen.
»Ich habe mit Michael im Naturschutzpark gearbeitet. Als ich nach Australien kam«, füge ich hinzu und werfe Richard einen Blick zu. Er runzelt noch immer vorwurfsvoll die Stirn.
»Und?« Zusätzliche Verwirrung.
»Das hat mir richtig gut gefallen«, sage ich schlicht.
»Was, als du fünfzehn warst?«, hakt er nach.
»Fünfzehn, sechzehn … Ich hab dort nur in den Sommerferien gearbeitet, aber ich habe es immer bedauert, weggegangen zu sein. Ich weiß, es ist zu spät, daran noch etwas zu ändern, aber es macht mich manchmal immer noch traurig.«
Er streichelt mir über den Arm. »Sei nicht traurig. Komm her!«
»Nein, mir ist nicht danach«, sage ich düster, und er zieht seine Hand fort. Ich weiß, ich zicke herum, aber ich kann nicht anders. Ich will nicht zu ihm, er soll zu mir kommen.
Ich würde mich freuen, wenn er mich um nähere Erklärungen bäte, wenn er wenigstens wissen wollte, warum die Arbeit auf dem Gebiet der Fotografie plötzlich so erstrebenswert für mich ist, aber er ist sauer, dass ich ihn so abgespeist habe. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Fernseher. Kurz danach fällt mir ein, dass das Abendessen im Ofen ist, und ich springe auf. Das ist vorerst das Ende unserer sogenannten offenen Aussprache.
Kapitel 20
Am Sonntagabend bekomme ich einen Anruf von meiner Freundin Vickie aus Adelaide.
»Ich habe eine schlechte Nachricht. Tammys Vater hatte einen Herzinfarkt«, erzählt sie mir. »Er ist heute Nacht im Krankenhaus gestorben.«
»O nein, die arme Tammy! Und Shane! Wie geht es ihnen?«
»Sie sind total fertig. Die Beerdigung ist am Mittwoch. Meinst du, du kannst herkommen?«
»Hm …« Ich war nicht mehr in Adelaide, seit ich mit neunzehn von dort fortgezogen bin.
»Ich weiß, dass sie dich gern dabeihätte.«
»Ich versuch’s«, verspreche ich. »Ich muss sehen, ob ich mir freinehmen kann.«
»Du kannst bei Jaegar und mir wohnen, wenn du willst. Allerdings wird es eng.« Sie leben in einer Atelierwohnung.
»Danke. Vielleicht kann ich ja auch günstig in einem Hotel in der Stadt übernachten.«
»Wie du möchtest. Aber komm doch bitte!«, fleht sie.
Nachdem ich aufgelegt habe, gehe ich zu Richard.
»Was ist los?«, fragt er, da er nur eine Hälfte der Unterhaltung mitbekommen hat.
»Tammys Vater ist gestorben. Herzinfarkt. Vickie meint, ich soll zur Beerdigung kommen. Die ist am Mittwoch.«
Er nickt. »Soll ich dich begleiten?«
Ich zögere. Einerseits hätte ich Richard gern dabei. Andererseits frage ich mich, ob ich nicht lieber allein nach Adelaide zurückkehren soll.
»Keine Sorge«, beruhige ich ihn. »Ich weiß ja, dass du im Moment wirklich viel um die Ohren hast. Konntet ihr jemand Neues für den Typen finden?« Ich spreche von dem Auszubildenden, den Nathan verdächtigt hatte, Werkzeug zu stehlen. Nathan selbst hat ihn letzte Woche auf frischer Tat ertappt und sofort gefeuert. Jetzt fehlt ihnen ein Mitarbeiter, und der Fertigstellungstermin für das Gebäude rückt immer näher.
»Noch nicht«, erwidert Richard. »Ich führe morgen ein paar Bewerbungsgespräche. Ich komme mit nach Adelaide«, beschließt er.
»Das musst du nicht«,
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