Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immer wieder samstags (Immer wieder ...) (German Edition)

Immer wieder samstags (Immer wieder ...) (German Edition)

Titel: Immer wieder samstags (Immer wieder ...) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Both
Vom Netzwerk:
mucksmäuschenstille Turnhalle und er trug mich über den Parkplatz, geradewegs zu seinem Auto. Dort ließ er mich vorsichtig runter und öffnete mir die Beifahrertür. Keiner von uns sagte ein Wort. Weder als ich einstieg noch als ich zusammenzuckte, weil er die Tür zuknallte.
    Er war gerade ausgeflippt! Richtig ausgeflippt! Wegen mir!
    Das musste ich erst einmal verarbeiten.
    Wir schwiegen weiterhin. Selbst als er den Audi startete und ihn auf die Straße lenkte, saßen wir wie zwei Fremde nebeneinander, berührten uns nicht. Dennoch konnte ich die Wut und auch die Trauer, die von ihm abstrahlte, fast körperlich fühlen. Ohne mich nur anzusehen, reichte er mir ein Taschentuch, womit ich versuchte, meine Nase zu reinigen, die schon nicht mehr blutete.
    Wieso war er so ausgerastet? Er hätte Eva fast geschlagen! Ich konnte nicht nachvollziehen, warum ihm das, was passiert war, so nahe ging und ihn so unendlich betrübt machte.
    »Meine Mutter hat sich wegen mir umgebracht«, durchbrach er die Ruhe im Wagen. Völlig emotionslos sprach er das aus, was mir in dieser Situation fast den Boden unter den Füßen wegzog. Ich war gelinde gesagt völlig perplex, wobei das nicht einmal reichte, um zu beschreiben, wie ich mich fühlte.
    »Halt an!« Mehr brachte ich kaum raus. Er schnaubte lediglich und gab stattdessen richtig Gas. »Halt an, Tristan!«, brüllte ich nun. Er drosselte das Tempo, fuhr an den Seitenstreifen und stemmte sich abrupt auf die Bremse.
    Für einige Minuten war es wieder still zwischen uns. Ich musste mich sammeln und überlegen, was ich tun sollte. Schließlich schnallte ich mich ab und krabbelte auf seinen Schoß. Kurz huschte eine Vielzahl von Emotionen über sein Gesicht, aber er ließ es zu, dass ich mich breitbeinig auf ihn setzte, indem er seinen Sitz nach hinten verstellte. Seine Hände lagen auf meinen Hüften und er sah mich mit schmerzverzerrtem Ausdruck an. Ich umfasste seine Wangen, strich über die glatte Haut und schaute in seine endlos tiefen, verlorenen Augen.
    »Jetzt erzähl«, murmelte ich. Ohne meinen Blick von ihm abzuwenden, streichelte ich ihn weiterhin, drängte mich enger an ihn, um ihm noch ein wenig mehr Halt zu geben.
    Und Tristan erzählte ... mit leiser, fast schon monotoner Stimme sowie vor Kummer stumpfen Augen.
    »Meine Eltern lernten sich im Urlaub in London kennen. Es war Liebe auf den ersten Fick. Mein Dad folgte meiner Mutter in ein kleines Kuhkaff und heiratete sie nur drei Monate danach. Schon immer wünschten sie sich drei Kinder. Also machten sie sich gleich nach Davids Studium an die Arbeit … Ich war der Jüngste von uns dreien. Phil und Tom waren bereits ein eingespieltes Powerteam. Sie haben schon früh angefangen, sich gegen den kleinen, nervigen Bruder zu verbünden, der auch noch der Liebling ihrer Mutter war. Im Grunde wuchs ich als Einzelkind auf, weil die beiden mit ihren drei und vier Jahren keinen Bock auf das Baby hatten.
    Irgendwann schickten meine Eltern mich in eine dieser Kinderaufbewahrungsanstalten ...« Er registrierte meinen fragenden Blick und verzog das Gesicht. »Kindergarten ...« Kaum hatte ich genickt, fuhr er fort, so eintönig wie zuvor. »Dort ging es los. Warum? Keinen Schimmer. Jeden Tag war ich mit blauen Flecken übersät und erzählte meiner Mutter von den Gemeinheiten, die mir die anderen Kids antaten. Sie redete mit den Kindergärtnerinnen und den Eltern, aber keiner hatte etwas gesehen oder wollte es nicht. Die Menschen schauen nun mal gerne weg, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Meine Mum versuchte, mich zu trösten, für mich da zu sein, und wie Mütter so sind, meinen Schmerz auf sich zu nehmen.
    Doch es half nicht. Vielleicht erschien ich allen als seltsam, merkwürdig, was sie instinktiv ablehnten.
    Ich schätze, ich war still. Stiller als andere Kinder und womöglich haben sie mich deshalb als Punchingball benutzt, keine Ahnung … Aber die Zeit war fucking genial, ehrlich.« Ein bitterer Zug zeichnete sich um seinen Mund ab und visualisierte den Sarkasmus in seiner Stimme. »Ich lief wochenlang ziemlich kahl herum, weil meine Mutter den Klebstoff, den sie mir in die Haare schmierten, nicht mehr rauswaschen konnte. Permanent wurde ich mit irgendwas beworfen, manchmal war es Dreck. Wenn ich Glück hatte, nur Gras. Meistens nahmen sie allerdings das Spielzeug. Schon mal einen Holzbaustein an den Kopf bekommen?« Die Frage war wohl eher rhetorischer Natur, denn er sprach augenblicklich weiter. »Kinder können wirklich

Weitere Kostenlose Bücher