Immortal 3 - Schwarze Glut
an sie zu gewöhnen. Doch das tat er nicht. Wann immer er Christine ansah, kam es ihm vor, als sähe er sie zum allerersten Mal.
Sie war so rührend jung, so rein und unbefleckt von Todesmagie. Ihr Anblick erinnerte ihn daran, wie es sich angefühlt hatte, jung zu sein. Es weckte einen süßen Schmerz in seiner Brust, und er würde alles tun, was er konnte, um ihn zu bewahren.
Die seidene Bettdecke reichte nur bis zu ihren Hüften, so dass ihr Oberkörper entblößt war. Eine Brustwölbung mitsamt rosa Knospe war unbedeckt.
Das Bild prägte sich fest in sein Bewusstsein ein und formte sich in Kalens Kopf zu einer neuen Schöpfungsidee. Er sah jeden Pinselstrich, jeden Farbklecks genau vor sich, jede Nuance, jeden Ton, jeden Wunsch. Reine Emotion, in Licht verwandelt und auf Leinwand gebannt.
Es war alles da und brauchte bloß noch ausgeführt zu werden. Ein Kinderspiel.
Er arbeitete schnell. Die Farben mischte er mit einer geradezu fiebrigen Konzentration. Zunächst skizzierte er die Linien mit dem Stift, bevor er den Hintergrund zu einem blau-violetten Strudel ausmalte. Christines Haut bekam einen weichen Pfirsichton, die Brustspitzen ein gedämpftes Rosa. Ihr Haar war schimmernd schwarz mit einem Hauch von Himmelblau an der linken Schläfe. Die schweren Locken fielen in einem eleganten Schleier über ihre Schultern.
Mit Hilfe seiner Magie trockneten die Ölfarben rasch. Binnen nicht einmal einer Stunde war erledigt, was sonst Tage, Wochen dauerte. Als er fertig war, trat er einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten. Langsam entwich alle Luft aus seiner Lunge.
Tizian selbst hätte es nicht besser machen können.
Kalens Freude wuchs ganz sachte, wie ein Tropfen längst vergessenen Frohsinns auf seiner Seele. Dann, je länger er das Bild betrachtete, nach Fehlern suchte und keine entdeckte, desto mehr breitete sich das Glückgefühl in ihm aus, bis es ihn vollständig erfasste und ihm das Herz übergehen wollte.
Leise ging er zum Bett und blickte auf Christine herab. Das alles verdankte er ihr. Falls er wiedergeboren werden sollte, nachdem er so lange Zeit weniger als ein Mensch gewesen war, dann geschah es durch ihre Magie. Ihre Großzügigkeit, ihre Liebe bewirkten es. Auf keinen Fall durfte er sie verlieren, und das würde er auch nicht. Es wurde ihm eng in der Brust. Sie sah so verwundbar aus, so menschlich. Ihre Sterblichkeit war ein fragiles Gut. Und sie würde es bleiben, bis er Christine nach Annwyn brachte und jene Wohltat einforderte, die Lir und Niniane, König und Königin der Anderwelt, ihm vor Jahrhunderten versprochen hatten.
Danach würde Christine ewig leben, wie Kalen.
Christine wachte auf, ließ die Augen jedoch fest geschlossen, obwohl sie wusste, dass sie nicht mehr schlief. Die Matratze war so weich, als würde sie auf einer Wolke ruhen. Ein wohliger Schmerz zwischen ihren Schenkeln erinnerte sie an Kalen und seine Zärtlichkeiten. Es fühlte sich unbeschreiblich gut an, ihm alles zu geben, und die Warnungen der kleinen Stimme in ihrem Hinterkopf ignorierten sich umso leichter, wenn Kalen sie anlächelte. Inzwischen wusste sie gar nicht mehr, wie viele Tage sie in seinen Armen verbracht und nichts anderes als seine Sinnlichkeit wahrgenommen hatte. Jeden Morgen küsste er sie wach, bedeckte sie mit seinem wundervollen Körper und vereinte sich im Sonnenaufgang mit ihr. Ihre gemeinsamen Tage füllten sie mit noch mehr Liebe aus, unterbrochen von Gesprächen über Kalens Kunstsammlung und köstlichen Mahlzeiten, die ihnen Pearl servierte. Die Nächte … Christine errötete. Offensichtlich lernte ein Mann innerhalb von dreitausend Jahren eine Menge darüber, wie er eine Frau erfreute.
Obwohl sie inzwischen schon unzählige Male mit ihm geschlafen hatte, begehrte sie ihn nach wie vor. Und sie wollte ihn nie wieder gehen lassen.
Bei diesem Gedanken erstarb ihr Lächeln. Verliebte sie sich in ihn? Das gehörte nicht zum Plan. Es konnte so nicht weitergehen! Was fiel ihr ein, Zeit in Kalens Bett zu vergeuden, während sie eigentlich seine Hilfe für den Kampf gegen Tain und Kehksut gewinnen sollte? Und selbst wenn es keinen Krieg auszufechten gäbe, käme ein Leben mit Kalen nicht in Frage. Sie war menschlich und würde altern. Er würde es nicht, denn er war unsterblich.
Zaghaft öffnete sie ein Auge und blinzelte ins Sonnenlicht, das durchs offene Fenster hereinschien. Ein weiterer klarer Morgen in einem Land, das gegenwärtig von Dauerregen geplagt wurde. Vielleicht war
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