Immortal Guardians: Düstere Zeichen (German Edition)
Der Körper kann sich dagegen wehren, wird allerdings geschwächt. Da das Vampirvirus aber so untypisch ist, kann der Organismus keine Gedächtniszellen bilden, wie er es bei einer Erkältung, bei Masern und … «
»Was sind denn Gedächtniszellen?«
»Gedächtniszellen sind spezielle weiße Blutkörperchen, die es dem Körper ermöglichen, bei erneutem Kontakt mit einem Erreger innerhalb von kürzester Zeit eine Abwehrreaktion auszulösen. Wenn ein Mensch aber ein zweites Mal gebissen wird und mit dem Vampirvirus in Kontakt kommt, erkennt das Immunsystem ihn nicht wieder und muss die Infektion von Neuem bekämpfen. Dadurch wird der Körper erneut geschwächt. Nach mehrmaligem Trinken ist das Immunsystem schließlich so schwach, dass das Virus es vollkommen zerstört und dann seine Funktion übernimmt.«
»Ist … Ist die Verwandlung sehr schmerzhaft?«
»Die erste Methode ist nicht so schlimm. Ich habe mir sagen lassen, es fühle sich ein wenig wie eine Grippe an, aber nach zwei oder drei Tagen sei alles vorbei. Bei der zweiten Methode wird man sehr krank – mit hohem Fieber, Schüttelkrämpfen, Delirium, Erbrechen, Muskel- und Magenkrämpfen. Der Schmerz wird so unerträglich, dass man den Tod herbeisehnt, und je nachdem, wie häufig der Vampir von einem trinkt, kann der Zustand ein paar Wochen oder auch Monate anhalten.«
Bei diesen Worten bekam sein Gesicht einen gequälten Ausdruck, so, als würde er aus eigener Erfahrung sprechen. »Ist es bei dir so gewesen?«
Er drehte sich zu ihr um und lehnte sich mit der Hüfte gegen den Küchentresen. »Ja. Nach meiner Gefangennahme wurde ich auf eine einsame Burg gebracht, die aussah wie aus einem Schauerroman, und im Kerker an die Wand gekettet. Außer mir waren dort noch sechs andere, sowohl Männer als auch Frauen. Jeden Abend kam der Vampir zu uns, um zu trinken, für jeden Wochentag hatte er ein anderes Opfer. Wir waren gewissermaßen seine private Blutbank, man gab uns gerade so viel Wasser und Nahrung, dass wir am Leben blieben.«
Sarah konnte es kaum ertragen, ihn sich angekettet und grausamen Qualen ausgesetzt vorzustellen. »Haben sich die anderen auch verwandelt?«
»Wir haben uns letztlich alle verwandelt. Doch aufgrund der unmenschlichen Bedingungen sind meine Zellengenossen fast sofort dem Wahnsinn verfallen. Dann hat der Vampir sie einfach umgebracht und durch neue Menschen ersetzt. Aber ich war ein Begabter, und mein Körper reagierte nicht wie die der anderen. Ich wurde nicht zum Vampir, sondern zum Unsterblichen. Wobei es Tage gab, da hätte ich selbst gern im Wahnsinn Zuflucht genommen.«
»Wie lange hat es gedauert?«, fragte sie. Wie lange hatte er leiden müssen?
»So ungefähr sechs Monate, lass es eine Woche mehr oder weniger gewesen sein. Wenn er täglich von mir getrunken hätte, wäre es schneller gegangen. Aber mein Immunsystem hatte dazwischen ja immer eine Woche Zeit, sich zu erholen, und aufgrund meiner Gabe ging es mir schneller wieder besser.«
Sechs Monate.
»Die anderen wurden nach der Verwandlung immer schwächer. Sie konnten das Essen nicht mehr bei sich behalten, und Blut bekamen sie ja keins. Ich war immer noch in der Lage zu essen und habe ganz naiv geglaubt, für mich bestünde noch Hoffnung. Meine Sinne wurden schärfer, und ich hatte immer wieder Krämpfe, weil ich Blut brauchte, aber alle anderen Symptome verschwanden. Ich kam wieder zu Kräften, sodass ich irgendwann einfach die Ketten aus der Mauer riss.«
»Hast du den Vampir getötet?«
Er nickte langsam. »Den Vampir und seine Lakaien. Die Opfer, die noch zu retten waren, habe ich befreit, den Rest erlöst und die Burg dem Erdboden gleichgemacht. Dann bin nach Hause gegangen, wo ich mit dem Verrat meines Bruders konfrontiert wurde.«
Wie hatte er all das nur überlebt?
Zwar wusste sie, warum er es körperlich überstanden hatte, nämlich wegen seiner rätselhaften Wunder- DNA , aber wie hatte Roland das alles kopfmäßig verarbeitet? Gefühlsmäßig? Ein Wunder, dass er nicht durchgedreht war.
Und obendrein hatte er dann auch noch erfahren müssen, dass sein Bruder bei all dem der Drahtzieher gewesen war …
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die frisch rasierte Wange.
9
In Rolands Brust breitete sich eine angenehme Wärme aus, und sein Puls raste schon wieder. Aus großen braunen Augen sah Sarah ihn mitfühlend an.
»Warum hast du mich geküsst?«, fragte er und fasste sich an den Mund, der von der Berührung ihrer Lippen
Weitere Kostenlose Bücher