Immortal: In den Armen der Dunkelheit
imstande, seine Panik lange genug zu verdrängen, um seinen nächsten Schritt zu planen.
Es stand zu befürchten, dass Legrands Untergebene den Einsturz herbeigeführt hatten. Hatten die Mistkerle Solange etwas angetan? Sie womöglich verschleppt? Der Gedanke war unerträglich. Und wie ging es Enzo und Gunter? Jacksons Vampire waren weiter hinten in den Gängen auf Wachposten. Beide hätten längst bei ihm sein müssen – es sei denn, sie waren ebenfalls angegriffen worden.
Mit der Schulter schob Jackson den Gobelin beiseite und schlüpfte dahinter. Im nächsten Moment gefror ihm das Blut, als er hart klingende Worte mit gälischem Akzent vernahm. Wie versteinert starrte er auf die Gestalt, die aus dem Schatten trat.
»
Bonjour,
Monsieur Cabot.« Weiße Zähne blitzten auf. »Endlich habe ich das Kaninchen in seiner Höhle gestellt! Nun darf es das scharfe Gebiss des Fuchses zu spüren bekommen. Der Meister wird hocherfreut sein.«
»Xaviere«, sagte Jackson.
Legrands Helfer kam näher. Xaviere war ein großer, dürrer Vampir, beinahe so alt wie sein Meister. An seinen knochigen Fingern bogen sich messerscharfe Nägel. Nachdem er einen weiteren Schritt näher gekommen war, konnte Jackson sein Gesicht deutlich erkennen.
Xaviere war genauso hässlich, wie Jackson ihn in Erinnerung hatte.
In Jacksons Armen drehte Leanna sich um. Sanft stellte er sie hin.
»Lauf! Flieh! Er kann dir nicht ins Licht folgen.«
Sie rührte sich nicht.
Xavieres kleine Augen wanderten zu Leanna, dann wieder zu Jackson. Der Vampir grinste widerlich.
»Bist du überrascht,
mon ami,
dass ich dich jage, während die Sonne scheint? Ach, das solltest du nicht! Die Nacht hat sich als keine gute Jagdzeit für dich erwiesen. Du bist viel zu schlau für deine jungen Jahre. Aber deine Untergebenen, die beiden in den Tunneln, sie sind jung und dumm. Und jetzt sind sie … fort.«
»Du lügst.«
»Tue ich das?« Xaviere öffnete seine Faust, worauf Asche aus seinen Fingern rieselte.
Jackson wehte eine flüchtige Note von Gunters Duft entgegen, dann Enzos. Für eine Sekunde schloss er die Augen, als ihn die Trauer überkam.
»Deine junge Dienerin oben ist klüger«, fuhr der Vampir fort. »Aber bedauerlicherweise nicht klug genug. Sie gab ihr Bestes, doch …« Er hob und senkte seine Schultern. »
C’est la vie
, nicht wahr? Oder passender wohl:
C’est la mort.
«
Jackson wurde schlecht. »Dafür wirst du bezahlen, Xaviere!«
Dieser bleckte seine Reißzähne. »Das glaube ich kaum,
mon jeune ami
. Aber ich kann dir berichten, dass deine Dienerin mutig gekämpft hat und einen ehrenvollen Tod starb, um ihren Meister zu beschützen. Und keine Angst, sie ist nicht für immer fort. Bald schon wacht sie auf, beim Meister. Legrand freut sich bereits, sie mit dem Vampir wiederzuvereinen, der einst ihr Ehemann war.«
Jean-Claude!
»Ihr Schweine!«, zischte Jackson.
»Na, na, Cabot! Wirst du dieses Spiel nicht leid? Du kannst nicht gewinnen und dich ewig vor Legrand verstecken. Früher oder später zwingt er dich in die Knie.« Der Vampir lachte. »Das kennst du ja. Wenn du hübsch bettelst und befriedigende Leistungen bringst, duldet der Meister eventuell, dass du weiterexistierst.«
Jackson hörte ihm kaum zu. In Gedanken sah er Solange vor sich, blutleer, hilflos und versklavt. Weil sie ihm die Treue gehalten hatte. Warum hatte er zugelassen, dass sie ihm diente? Er hätte sie wegschicken müssen, als ihr Großvater gestorben war.
Leanna berührte seinen Arm. Deutlich fühlte er ihre Empathie. Doch er wollte sie nicht ansehen. Würden sein Stolz und sein erbärmliches Verlangen nach menschlichem Kontakt sie ebenso zerstören wie Solange? Verflucht, warum lief sie nicht weg? Er stellte sich vor sie, um sie mit seinem Körper vor Xaviere abzuschirmen.
Der amüsierte Blick des Vampirs wanderte zu einem Punkt unterhalb von Jacksons Bauch. Zu spät wurde diesem bewusst, dass seine Hose noch offen stand. Fluchend zog er den Reißverschluss zu.
Xaviere schmunzelte anzüglich. »Ich gestehe, dass ich nicht erwartete, dich beim … Schäferstündchen zu ertappen. Hast du dir eingebildet, dein Refugium sei unverwüstlich? Deine Macht mag weit über die eines gewöhnlichen Vampirs deines Alters hinausgehen, Cabot, trotzdem wirst du bald in deine Schranken verwiesen. Legrand macht dich so schwach wie einen Welpen.«
»Legrand soll zur Hölle fahren!«
»Zweifellos wird er das eines Tages, aber heute wohl nicht. Heute gehört dir.« Xaviere kam
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