Immortal: In den Armen der Dunkelheit
Schlachtengetümmel hinweg. Der Strahl zuckte im Raum herum wie ein gefangener Blitz.
Während das britzelnde grüne Feuer sich auflöste, hob sich der Nebel in der Mitte. Blutig und zerschunden stand Legrand inmitten des Rauchs und der Schuttwolken seines ruinierten Kerkers. Sein muskulöser Unterarm war von hinten um Jacksons Hals geschlungen und presste ihn an seine Brust. Jackson bemühte sich vergeblich, ihn abzuwehren. Leannas Herz schmerzte beim Anblick Jacksons, der sich Legrands größerer Kraft beugen musste.
Sein Leib fiel in sich zusammen wie eine Stoffpuppe. Er bekam glasige Augen.
»Götter, nein!«, hauchte Leanna.
Legrand bleckte die Zähne. »Soll ich ihm jetzt das Genick brechen?«, überlegte er laut. »Ach nein, das wäre zu gnädig. Es gibt eine weit vergnüglichere Art, einen Verräter zu zerstören.«
Mit einem fiesen Lachen hievte er Jackson in die Luft und schleuderte ihn von sich. Er prallte gegen die Wand, dass sein Schädel krachte. Jeden Sterblichen hätte diese Verletzung getötet. Jackson rutschte zu Boden, und sein Kopf sackte zur Seite.
Glühender, maßloser Zorn stieg in Leanna auf. Sie glaubte, dass sie schrie, wusste es aber nicht mit Sicherheit. Die Flut an Magie, die sich in ihr bündelte, schaltete alle menschlichen Sinne aus. Sie hob beide Hände und schleuderte Legrand einen doppelten Schwall Elfenfeuer an den Kopf.
Der Vampir wehrte die Attacke mit einer erhobenen Hand ab und absorbierte die grünen Funken mit geübter Leichtigkeit. Seine Reißzähne blitzten, als er hämisch grinste. Im nächsten Augenblick stolperte Leanna rückwärts, während der Vampirmeister sich aufs Neue ihres Geistes bemächtigte. Abermals spürte sie den Sessel in ihren Kniekehlen und fiel nach hinten. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Jean-Claude seine Frau auf den Boden gelegt hatte. Der junge Vampir zerrte an der Kerkertür, doch die massive Eiche bewegte sich nicht.
»Aufstehen!«, brüllte Legrand Leanna an.
Sie sprang auf. Gelassen bückte Legrand sich und hob ein langes Holzstück auf, ein Teil des zerborstenen Peitschgestells. Mit einem unbeschreiblich bösartigen Gesichtsausdruck näherte er sich ihr und drückte ihr die Waffe in die Hand. Ihre Finger schlossen sich darum.
»
Du
wirst ihn zerstören. Leg Cabot auf den Boden und pfähle ihn!«
Leanna wollte widersprechen, aber ihre Lippen bewegten sich nicht. Sie versuchte zu schlucken, nur war auch ihr Hals wie gelähmt.
Der Rest ihres Körpers jedoch war es nicht. Sie hielt den Pfahl an ihre Brust und stakste auf Jackson zu. Seine Brust hob und senkte sich, während seine glasigen Augen jeder ihrer Bewegungen folgten. Und er wehrte sich nicht, als sie das Holzstück ablegte und sich zu ihm beugte, um seine Knöchel zu umfassen.
Sie zog ihn von der Wand weg, bis sein Hinterkopf auf dem Boden aufschlug. Seine Gliedmaßen waren schlaff, sein Körper unbewegt bis auf das heftige Auf und Ab seines Brustkorbs. Allerdings wurde sein Blick klarer. Er wusste, was sie tat.
Er wusste, dass sie ihn zerstören würde.
Blind angetrieben von dunkler Magie, war Leanna unfähig, auch bloß Widerspruch zu äußern. Sie hob den Pfahl auf. Legrands zufriedenes Knurren untermalte ihre Bewegung, als sie wieder aufstand und den Holzpflock hoch über ihren Kopf hob. Die rissige Spitze zielte auf Jacksons Herz.
Derweil schwappten Wellen schwarzer Magie über Leanna hinweg. Der Drang, zuzustoßen, war überwältigend.
Nein!
, schrie Leannas Verstand in stummem Entsetzen.
Nein!
Ihre Arme spannten sich an, und ihre Schultern zuckten.
Nein, das durfte nicht geschehen! Sie konnte Jackson nicht töten. Nicht schon wieder!
Mit geradezu mörderischer Anstrengung griff Leanna zu ihrer stärksten Magie. Sie war in den finstersten Nischen ihrer Seele verborgen, hinter einem verletzten, hässlichen Teil, der ihr solche Angst machte, dass sie es nicht ertrug, ihn ans Licht zu befördern. Der Schandfleck in ihr bedeutete, dass sie nie wieder ganz würde – egal, wie lange sie lebte oder wie sehr sie sich bemühte. Der innerste Teil ihrer selbst trug eine dauerhafte Narbe, die ihr von ihrer Sidhe-Mutter und ihrem menschlichen Vater beigebracht worden war. Von allen Männern, die sie um ihrer Magie willen benutzt hatten. Von ihrer Zeit in der Hölle. Aber die schmerzlichsten Wunden waren jene, die Leanna sich selbst zugefügt hatte, indem sie willentlich dunkle Magie praktizierte.
Dennoch verbarg sich unter diesen Narben ein Ort puren Lebens. Eine Stelle,
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