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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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wollte sie hier? Hatte sie nicht schon genug riskiert?
    Zähneknirschend schob er den Gedanken an sie beiseite. Er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Er hatte ihre Position verraten, als er angefangen hatte zu rufen, und auch wenn Corben sich seitwärts zwischen die Bäume gedrückt hatte, fühlte er sich doch verwundbar.
    Sie hatten haltgemacht, um die Nacht abzuwarten – es war zu dunkel, um weiterzureiten –, als er plötzlich seine Verfolger gehört hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie noch am Abend kommen würden. Einen hatte er ausgeschaltet, aber er war ziemlich sicher, dass es vier waren, Mia eingeschlossen. Das hieß, er hatte es noch mit zwei bewaffneten Männern zu tun.
    Die Übermacht bereitete ihm kein großes Kopfzerbrechen. Außerdem war es immer ein Vorteil, in höherem Gelände zu sein. Sie würden ihn heraustreiben müssen, und dazu müssten sie sich zeigen. Er brauchte sich nur bereitzuhalten.
    Ein Königreich für ein Nachtsichtgerät , dachte er. Und Isokleidung. Die Kälte ließ ihn frösteln. Er versuchte sie auszublenden, und dann hörte er ein Geräusch von links.
    Leise Schritte, die langsam näher kamen.
    Die Schritte eines Jägers.
    Er schloss für ein paar Sekunden die Augen, um die Netzhaut zu sensibilisieren, und dann öffnete er sie wieder und spähte zwischen die Bäume. Im selben Moment knirschte ein Schritt auf steinigem Boden. Aber der kam von rechts.

71
    Mia schlug das Herz bis zum Hals, als sie in die undurchdringliche Dunkelheit spähte. Das Gefühl, das sie dabei hatte, war ihr zuwider. Sie wusste, dass bald – schon wieder – jemand sterben würde, und sie konnte es nicht verhindern.
    Mündungsfeuer erhellte jäh die Nacht, und Schüsse knallten zwischen den Bäumen. Sie zählte mindestens ein Dutzend, in unregelmäßigen Abständen und von verschiedenen Stellen, dann ertönte ein panisches Wiehern. Pferde gingen durch. Ihr Hufschlag klapperte in der Ferne – und es wurde still.
    Nicht ganz still.
    Jemand stöhnte.
    Das gequälte Stöhnen eines Verletzten. Dann Geschrei in kurdischer Sprache.
    Wütendes, schmerzverzerrtes Geheul.
    Sie sprang aus ihrem Versteck und hatte Mühe, nicht zu stolpern, als sie über Stock und Stein auf die Lärmquelle zurannte.
    Als Erstes fand sie den Mann aus dem Dorf. Er lag verletzt am Boden, aber er lebte noch. Eine Kugel hatte ihn in die Seite getroffen. Er hatte starke Schmerzen, und die Angst war ihm anzusehen. Er flehte sie auf Kurdisch an und hielt nur mühsam die Augen offen. Als sie neben ihm niederkniete, um einen Blick auf seine Wunde zu werfen, hörte sie plötzlich das wilde Geschrei des mochtar . Sie hob den Kopf und sah einen Schatten, der sich vor ihr zwischen den Bäumen bewegte. Wieder fielen Schüsse, und dann hörte sie das unverwechselbare Klicken eines leeren Magazins.
    Sie gab dem Verwundeten mit einer Handbewegung zu verstehen, sie werde gleich zurückkommen, und dann hörte sie, wie Salem nach seinem Vater rief. Er hustete heftig, aber es war eher Würgen als Husten; offenbar war er schwer verletzt. Mia schlich sich näher an den Schauplatz heran und fand Salem am Boden. Der Junge blutete dicht unter der Schulter. Die Wunde lag gefährlich nah am oberen Lungenrand. Als er Blut hustete, sah Mia ihre Befürchtung bestätigt: Die Lunge war verletzt. Es war ernst. Der mochtar war bei ihm. Sein Gesicht war verzerrt vor Sorge, und seine zitternden Hände hielten ein Gewehr umklammert. Er drehte sich um und richtete es auf zwei dicke Bäume, die vielleicht zehn Meter weit entfernt standen.
    «Da», murmelte er, als wolle er auf ein in die Enge getriebenes Wild aufmerksam machen. «Kommen Sie.»
    Vorsichtig ging er los, das Gewehr im Anschlag. Mia folgte ihm. Schritt für Schritt näherten sie sich den Bäumen und gingen schließlich um die beiden mächtigen Stämme herum.
    Corben lehnte mit dem Rücken am größeren der beiden Bäume. Auch er war getroffen, irgendwo in Bauchhöhe. Sein Hemd war nass von Blut. In den Händen hielt er die leere Kalaschnikow.
    Mit kraftlosem Blick schaute er zum mochtar auf. Dieser beschimpfte ihn wütend und stieß drohend mit dem Gewehr nach ihm. Er schrie immer lauter, und es sah danach aus, als wäre er drauf und dran, Corben eine Kugel in den Kopf zu jagen.
    «Nein!», schrie Mia und stellte sich in den Weg.
    Der Mann beruhigte sich nicht; er schrie den am Boden liegenden Agenten auf Kurdisch an und zeigte immer wieder zu seinem verletzten Sohn hinüber. Mia rief noch

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