Immortals after Dark 01 - Unsterbliche Sehnsucht
näher. Er konnte hören, dass sie so tat, als ob ihr die Luft ausginge und sie stolperte. All das war Teil des Spiels.
Einer rempelte sie an und riss sie mit sich in den Schnee. Die anderen hielten ihre Arme fest. Sie heuchelte Angst, wehrte sich nur schwach. Während die anderen laut Beifall grölten, kniete sich ein stämmiger Wikinger zwischen ihre Beine und sagte zu ihr: »Ich hoffe, du hältst länger durch als die letzten beiden.«
Hinter dem Kopf des Mannes leuchtete ein Blitz auf, eine Windbö folgte. Einige der Männer blickten sich beklommen um, lachten nervös.
»Die letzten beiden waren Angritte und ihre Tochter Carin«, erklärte Myst ihm. Carin, so jung und arglos sie sein mochte, hatte aus irgendeinem Grund erkannt, was Myst war. » Schwanenmaid «, hatte das Mädchen geflüstert und sie damit bei einem der schönsten Namen für Walküren gerufen.
Sowohl die leichtsinnige Mutter als auch ihre unschuldige Tochter waren ermordet worden, erstickt unter dem Gewicht dieser Männer, als sie von ihnen geschändet wurden.
»Ich werde länger leben als sie – und du.« Eine Veränderung ging vonstatten, eine Art Blutgier überkam sie, wilde, animalische Gedanken, die Wut …
Das Stirnrunzeln war der letzte Gesichtsausdruck im Leben dieses Mannes. Myst erhob sich und schüttelte die kräftigen Männer mit Leichtigkeit ab. Sie hatte Carin für ihre Unschuld und ihr frohes Wesen geliebt, und diese Bestien hatten Myst dieser Dinge beraubt, ja, die ganze Welt, die dadurch wieder ein bisschen armseliger geworden war.
Während Blitze den Himmel erhellten, bahnte sie sich blindwütig einen Weg durch die Männer. Als alle bis auf einen tot am Boden lagen, sagte sie zu dem, dem sie gestattete weiterzuleben: »Jedes Mal wenn du daran denkst, Jagd auf eine Frau zu machen oder ihr Gewalt anzutun, frage dich, ob sie nicht vielleicht wie ich ist. Ich habe dich verschont, aber meine Schwestern würden dich mit einer einzigen Bewegung ihrer Klauen entmannen, ihr Zorn wäre unvorstellbar.« Als sie sich mit dem Arm übers Gesicht strich, stellte sie fest, dass es nass war.
Myst hockte sich hin und beugte sich so dicht über den Mann, dass sie ihr Spiegelbild in seinen Augen sehen konnte. »Es gibt Tausende von uns. Sie leben entlang der ganzen Küste und warten.« Ihre Augen waren silbern, ihr Gesicht blutverschmiert. Der Mann war vor Todesangst wie erstarrt. »Und ich bin eine der Sanften.«
Sie wandte sich von ihm ab, wischte sich die Hände ab und sagte zu sich selbst: »So setzt man Gerüchte in die Welt.«
Doch ihre Großtuerei fiel von ihr ab, als sie zu den grob behauenen Grabsteinen auf dem Hügel am Meer kam, unter denen Carin und ihre Mutter lagen. »Du dummer Mensch«, zischte sie am Grab der Mutter. »Du seist verflucht in deiner Hölle. Warum hast du mir nicht gehorcht? Ich hatte dir doch geraten, Carin im Frühling, wenn sie herunterkommen, ins Landesinnere zu bringen. Haltet euch von den Küsten fern «, sagte sie. Ihre Stimme brach, und ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, als sie sich dem Grabstein des Mädchens zuwandte. Sie schmiegte sich eng an ihn, ihr Gesicht an die kunstlose Inschrift gelegt. Dann schlug sie ihren Kopf mit voller Wucht gegen den Stein, und ihr Blut tropfte aus der entstandenen Risswunde.
Und so blieb sie, bewegte sich tagelang nicht, während die Dorfbewohner am Fuß des Hügels Wache hielten und Opfer wie für eine Göttin darboten, damit sie ihnen Schutz und ihre Gunst schenkte.
Wroth überlief bei dem Schmerz, den Myst gar nicht zu fühlen schien, ein Schaudern – ihre blutverschmierte Hand war am Stein festgefroren, ihre Muskeln waren verkrampft und ihre Haut rau von der Kälte. Am dritten Tag fand ihre Schwester Nïx sie und hob sie auf, als ob sie federleicht wäre. Die Tränen auf ihrem Gesicht waren zu Eis erstarrt.
»Schhhh, Myst«, murmelte Nïx. »Wir haben schon von deiner Rache gehört. Sie werden nie wieder einem Mädchen etwas antun. Genau genommen bezweifle ich, dass dieser ganze Verein jemals wieder diese Küste belästigen wird.«
»Aber … das Mädchen«, flüsterte Myst verwirrt. Erneut flossen Tränen. »Sie ist einfach fort .« Das letzte Wort war ein Schluchzen.
»Ja, mein Schatz«, sagte Nïx. »Und sie wird niemals wiederkehren.«
Myst weinte bitterlich. »Aber … aber es tut weh , wenn sie sterben.«
Nïx drückte einen Kuss auf Mysts Stirn und murmelte: »Und das tun sie immer.«
Mysts Leid erfüllte Wroths Herz mit Schmerz, wie er ihn
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