I#mNotAWitch 1
Schmerzensschrei entfuhr.
Auf den Lippen des Mädchens breitete sich nur ein begeistertes Grinsen aus – ohne Mitleid. Sie führte ihre Erzählung fort: „Jedenfalls hat sie dem Teufel einen kleinen Sohn geschenkt, und nie wieder ein Wort mit Severin gewechselt. Das selbstsüchtige Biest. Sie spielte mit falschen Karten. Ganz ehrlich, was findest du schlimmer? Einen Teufel zu lieben, oder einen Vampir? Theresa entschloss sich einfach dazu, die Schlampe zu spielen, genauso wie es ihr ihre Familie aufgetragen hatte. Und weißt du, was Severin nach ihrem Tod tat? Er baute einen Turm, in dem er sich einsperrte. Aus diesem Turm ist er seit achtzig Jahren nicht mehr herausgekommen, um etwas zu trinken. Noch immer steckt er darin und ist ohne Kraft und Leben – ausgetrocknet, halb tot, obwohl er ja sowieso längst tot ist –, nur wegen dieser kleinen Teufelsschlampe.“
Madison wies mit ihrer Hand auf die Decke, woraufhin ich verstand. Dieser enge Gang, den ich gestern früh entdeckt hatte, musste zu dem Turm hinaufführen. Da hatte ich auch das Bild von Theresa gefunden.
Severin lebte also seit achtzig Jahren in diesem Turm und ernährte sich nicht mehr von Blut. Woher nahm er diese Kraft? Warum hatte er Theresa nicht von Anfang an zeigen können, wie stark er in Wirklichkeit war?
Madison verzog eine missmutige Grimasse und schmiss die Schüssel mit der Salbe unachtsam zurück auf den Boden. „Und ich hätte ihm alles gegeben. Ich habe ihn geliebt, getröstet, aber ich war ihm nie genug. Theresa hier, Theresa da. Ich habe sie gehasst. Weißt du“, plötzlich kam sie mit ihrem Gesicht bedrohlich nahe an mich heran, „was für eine Qual es sein kann, wenn der Mann, den du liebst, nur wenige Schritte von dir entfernt ist, dich aber nicht sehen will? Jeden einzelnen Tag ist mir das bewusst, während ich hier unten mit den anderen spreche, lache und trinke. Ich kann einfach nicht vergessen, dass er im Turm sitzt und sich nach dieser Hexe verzehrt...“ Ruckartig hüpfte sie auf die Beine und lief zu ihrem Marmorsessel. Dort ließ sie sich auf ein rundes Kissen sinken. „Und ich wollte weg von diesem giftigen Haus, wollte ihn zurücklassen, habe es versucht, immer und immer wieder. Doch ständig bin ich zurückgekehrt, um zu sehen, ob er mich vielleicht vermisste. Aber das tat er nicht. Das wird er niemals tun.“ Einen Moment lang schwieg sie und spielte gedankenverloren mit ihren Haaren. „Ich werde nicht zulassen, dass du – genauso wie Theresa – das Erbe des Teufels sicherst. Nicht solange Severin leidet – und ich mit ihm. Ich hasse dein Volk so sehr, das kannst du dir gar nicht vorstellen.“
Ihre Worte klangen seltsam aus dem Mund eines zwölfjährigen Mädchens. Nur der Blick in ihre leeren Augen verriet ihre wahre Identität.
Aber was wollte sie tun? Wie wollte sie verhindern, dass Lucien mich wieder mitnahm?
Sie schien in ihren Erinnerungen zu schwelgen, während die Salbe an meinem Hals immer besser wirkte. Mein Kopf wurde langsam klarer. Die Schmerzen verglühten, die Nebelschleier in meinen Gedanken verzogen sich. Auch meine Augen konnten wieder deutlicher sehen.
Madison machte keinen allzu vertrauenswürdigen Eindruck. Sie war so sehr von ihrem Hass zerfressen, dass ich ihr alles zutraute. Ich musste abhauen. Irgendwie.
Ich konnte mich nicht wegzaubern. Aber ich konnte sie verletzen. Einen Augenblick lang versuchte ich mich zu konzentrieren, dachte an die Worte, die mir meine Mutter vor Jahren beigebracht hatte: „Die Kraft liegt in deinen Gedanken. Du musst sie ordnen, bevor du kämpfst.“
Sogleich füllte mich eine warme Energie aus, kroch in meine schwachen Hände, kribbelte in meinen Fingerspitzen – und schoss in Madisons Richtung.
Meine Kraft riss das Vampirmädchen zur Seite und schleuderte es gegen die Wand.
„Oh, nein!“, jaulte Madison auf. Ihre weiße Schleppe blieb an einer Fackel hängen und fing Feuer. Sie interessierte sich nicht dafür, riss ihren Rock los und hechtete mit brennendem Rücken auf mein Bett. „Tu das nicht noch einmal, sonst werde ich dir die Augen ausstechen, Rotschopf.“
Erstick , dachte ich nur, setzte mich auf der Matratze auf und starrte sie ohne Furcht an. Erstick .
Daraufhin begann sie zu husten, spuckte Blut – all das Blut, das sie in ihrer vorigen Fressorgie den drei Menschen entwendet haben musste. Ihre Augen glänzten blutunterlaufen. Sie umschloss ihren Hals mit beiden Händen, würgte weiter, sank auf ihre Knie.
Jetzt musste ich
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