Imperator 01 - Die Tore von Rom
kalte Winternacht sein.«
»Gewiss, Herr«, antwortete der Mann und zog die Stirn ein wenig kraus, als er versuchte, den Profit auszurechnen, den er als einziger Lieferant für seine eigene Legion einstreichen würde. Das Ergebnis erfreute ihn sichtlich, denn er salutierte frohgemut, als Julius an ihm vorbeiging.
Schließlich erreichte Marius die Steintreppe, die zur Straße hinunterführte und das Ende dieses Abschnitts markierte. Julius hatte mit jedem der an die hundert Soldaten gesprochen oder ihm wenigstens zugenickt. Seine Gesichtsmuskeln fühlten sich steif an, trotzdem empfand auch er etwas von dem Stolz seines Onkels. Dies hier waren gute Männer, und es war gut zu wissen, dass sie bereit waren, auf seinen Befehl hin ihr Leben hinzugeben. Die Macht hatte etwas Verführerisches, und Julius erfreute sich an der Wärme ihres Abglanzes. Er verspürte eine wachsende Erregung, als er mit seiner Stadt auf Sullas Ankunft und das Hereinbrechen der Dunkelheit wartete.
Rings um die Stadt waren in regelmäßigen Abständen schlanke Türme an der Mauer aufgestellt worden. Bei Sonnenuntergang rief ein Posten von einem dieser Türme, und seine Nachricht pflanzte sich mit rasender Geschwindigkeit fort. Der Feind stand am Horizont und kam auf die Stadt zu marschiert. Die Tore wurden geschlossen.
»Endlich! Diese Warterei ging mir allmählich auf die Nerven«, brüllte Marius, der beim ersten warnenden Ton der Trompeten, deren klagender Ruf jetzt weithin über die Stadt schallte, aus seiner Unterkunft gestürmt kam.
Die Reserve ging in Position. Die wenigen Römer, die sich noch auf den Straßen aufhielten, eilten nach Hause und versperrten und verriegelten ihre Türen vor den Eindringlingen. Solange ihre Familien in Sicherheit waren, war es den Leuten ziemlich egal, wer die Stadt regierte.
Die Senatsversammlungen für diesen Tag waren abgesagt worden. Auch die Senatoren hielten sich in ihren hier und dort in der Stadt gelegenen palastartigen Häusern auf. Keiner von ihnen war nach Westen geflohen, obwohl einige ihre Familien auf entlegenere Landsitze geschickt hatten, um sie keinem unnötigen Risiko auszusetzen. Ein paar von ihnen erhoben sich mit angespanntem Lächeln, traten hinaus auf die Balkone und blickten zum klagenden Gesang der Hörner über die dunkler werdende Stadt zum Horizont. Andere lagen im Bad oder in ihren Betten und ließen sich von ihren Sklaven die vor Angst verspannten Muskeln kneten. In seiner gesamten Geschichte war Rom noch nie angegriffen worden. Die Stadt war immer viel zu stark gewesen. Sogar Hannibal hatte es vorgezogen, den römischen Legionen auf freiem Feld zu begegnen und es vermieden, ihre Mauern selbst anzugreifen. Es hatte eines Mannes wie Scipio bedurft, um seinen Kopf zu holen und den seines Bruders. Besaß Marius die gleichen Fähigkeiten, oder würde am Ende Sulla Rom in seiner blutigen Hand halten? Der eine oder andere Senator verbrannte Weihrauch für die Hausgötter auf seinem Privataltar. Sie hatten Marius unterstützt, als er seinen Einfluss auf Rom verstärkt hatte, waren gezwungen gewesen, sich in der Öffentlichkeit auf seine Seite zu schlagen. Viele hatten ihr Leben auf seinen Erfolg gesetzt. Und Sulla war nicht für seine Nachsicht bekannt.
28
Als sich die Nacht über die Stadt herabsenkte, wurden überall Fackeln angezündet. Julius fragte sich, welches Bild sich wohl den Göttern bot, die von oben herabsahen: Sah die Stadt für sie aus wie ein großes, schimmerndes Auge in der unermesslichen Weite des Landes? Wir blicken hinauf, während sie herabschauen , dachte er.
Er stand mit Cabera am Fuß der Mauer und lauschte den Neuigkeiten, die von den Aussichtsposten auf den Wällen herabgerufen und sofort bis tief in die Stadt weitergegeben wurden, eine Informationsader für diejenigen, die nichts sehen und nichts hören konnten. Durch die Rufe hörte er trotz des Lärms rings herum das Stampfen tausender marschierender bewaffneter Männer und Pferde. Es erfüllte die warme Nacht und wurde immer lauter.
Es bestand kein Zweifel mehr. Sulla führte seine Legion direkt die Via Sacra hinauf vor die Tore der Stadt, offensichtlich ohne versteckten Plan. Die Posten berichteten von einer von Fackeln beschienenen Menschenschlange, die sich meilenweit in die Dunkelheit erstreckte, bis ihr Schwanz hinter den Hügeln verschwand. Es war die Marschformation für befreundetes Territorium, nicht das vorsichtige Heranrücken an einen Feind. Die Kühnheit eines derartig sorglosen
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