Imperator 03 - Das Feld der Schwerter
den Fenstern heraus. Überall gab es Spuren von Zerfall. Türen, die einmal in steifen, ledernen Angeln gehangen hatten, klafften jetzt weit auf, und kleine wilde Tiere huschten verschreckt vor ihnen davon, als sie ihre Pferde auf der Straße zur Mitte der Ansiedlung führten. Die unheimliche Stille des verlassenen Dorfes machte einem das Sprechen schwer, gerade so, als sei jedes Gespräch an diesem Ort ein unerwünschtes Eindringen. Es erinnerte Servilia an die widerhallenden Bogengänge eines Tempels, und sie fragte sich, weshalb Julius sie wohl hierher gebracht hatte.
»Warum haben die Bewohner dieses Dorf verlassen?«, fragte sie ihn schließlich.
Er zuckte die Schultern. »Alles Mögliche könnte der Grund dafür sein. Eine Invasion, eine Seuche … Vielleicht wollten sie sich auch nur woanders ein neues Zuhause suchen. Als ich es entdeckte, habe ich hier ganze Tage zugebracht, aber die Häuser sind schon vor langer Zeit geplündert worden, und man sieht nur noch sehr wenig davon, wie seine Einwohner damals gelebt haben. Es ist ein eigenartiger Ort, aber ich mag ihn trotzdem sehr gern. Wenn wir dieses Tal jemals mit unseren Brücken und neuen Straßen erreichen, wird es mir sehr Leid tun, ihn verschwinden zu sehen.«
Sein Fuß streifte ein verblasstes Stück gebrannten Tons, das vielleicht einmal ein Schild gewesen war. Er bückte sich, um es genauer anzusehen, und blies den Staub weg. Die Platte war glatt und so dünn, dass er sie leicht mit einer Hand hätte zerbrechen können.
»Ich nehme an, hier hat es früher einmal ausgesehen wie jetzt in Valencia. Mit einem Marktplatz, auf dem die Ernte verkauft wurde, und Kindern, die mit den Hühnern um die Wette gerannt sind. Es fällt einem schwer, sich das jetzt vorzustellen.«
Servilia sah sich um und versuchte, sich einen Platz voller Menschen auszumalen. Aus dem Augenwinkel erspähte sie neben sich auf einer Mauer gerade noch eine Eidechse, bevor diese wieder blitzschnell unter einem heruntergebrochenen Dachvorsprung verschwand. Es hatte etwas Unheimliches, durch dieses Dorf zu spazieren. Man hatte beinahe den Eindruck, als müssten sich die Straßen jeden Moment wieder mit Lärm und Menschen füllen, als hätte es niemals eine Unterbrechung gegeben.
»Warum kommst du hierher?«, fragte sie.
Er sah sie seltsam lächelnd von der Seite an. »Ich zeige es dir«, sagte er und bog um die Ecke in eine breitere Straße ein.
Die Häuser hier waren nicht viel mehr als Steinhaufen. Weiter hinten konnte Servilia einen freien Platz erkennen, auf den sie zuhielten. Die Sonne erwärmte die Luft um sie her, und als sie die offene Fläche endlich erreicht hatten, beschleunigte Julius eifrig seine Schritte.
Die schweren Steinplatten, die den Boden des Platzes bedeckten, waren gesprungen, die Risse mit Gras und wilden Blumen durchzogen, doch Julius schritt darüber hinweg ohne hinzusehen. Sein Blick war auf einen zerbrochenen Sockel gerichtet, neben dem die Bruchstücke einer Statue lagen. Die Gesichtszüge der Figur waren beinahe vollständig verwittert, der weiße Stein porös und angeschlagen, doch Julius näherte sich ihr trotzdem mit Ehrfurcht. Er band ihre Pferde an einen jungen Schössling, der zwischen den geborstenen Steinplatten einen Weg ans Licht gefunden hatte, beugte sich zu der Statue hinunter und zeichnete ihre Gesichtszüge mit der Hand nach. Ein Arm war abgebrochen, dennoch konnte Servilia sehen, was für ein eindrucksvolles Standbild es einmal gewesen sein musste. Dann entdeckte sie die Stelle, an der Schriftzeichen in den schweren Sockel eingehauen waren, und sie berührte gedankenvoll die seltsamen Buchstaben.
»Wer ist das?«, flüsterte sie.
»Einer der Gelehrten hier hat mir gesagt, da stünde ›Alexander, der König‹.«
Julius’ Stimme klang ganz rau, und Servilia verspürte wieder das Bedürfnis, ihn zu berühren und seine Gedanken und Gefühle mit ihm zu teilen. Erstaunt sah sie, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, während er das steinerne Gesicht betrachtete.
»Was hast du denn? Ich verstehe nicht …«, sagte sie und streckte ohne weiter darüber nachzudenken die Hand nach ihm aus. Seine Haut fühlte sich heiß an, und er entzog sich ihrer Berührung nicht.
»Wenn ich ihn sehe …«, sagte er leise und wischte sich die Tränen aus den Augen. Einen Augenblick drückte er ihre Hand an sein Gesicht, bevor er sie wieder losließ. Wortlos starrte er die Statue noch eine Weile an und zuckte dann die Achseln. Er hatte sich wieder
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