Imperator 04 - Die Götter des Krieges
waren. Ob sie es nun begriffen oder nicht, diese Männer und er waren natürliche Verbündete, und schon schoss ihm ein fertiger Plan durch den Kopf, als er weiter auf sie zuritt. Eine innere Stimme amüsierte sich königlich darüber, wie viel schneller und präziser seine Gedanken arbeiteten, je weiter er von Julius entfernt war. Ohne den Schatten des anderen konnte er doch noch der Mann werden, der er hatte werden sollen.
Beim Warnton der Cornicen fuhr Seneca entsetzt herum. Sein Herz pochte wild, weil er schon befürchtete, Cäsars Reiterei auf sie zupreschen zu sehen, um ihn zu bestrafen.
Doch bei dem Anblick eines einzelnen Reiters war er so erleichtert, dass er beinahe laut über seine eigene Angst lachen musste. Ahenobarbus’ Gerede über Gelöbnisse hatte ihm Sorgen bereitet, und er wusste, dass die Männer um ihn herum das gleiche Schuldbewusstsein teilten.
Misstrauisch kniff Seneca die Augen zusammen, als der Reiter auf die Spitze des Zuges zuhielt und weder nach rechts noch nach links sah, während er an den stehen gebliebenen Reihen vorüberritt. Seneca erkannte die silberne Rüstung von einem von Cäsars’ Generälen und befürchtete sofort, sie könnten schon wieder umzingelt worden sein. Bei den Männern, die sie so einfach eingekreist und wie dumme Kinder hatten aussehen lassen, war einfach alles möglich.
Er war nicht der Einzige mit diesem Gedanken. Die Hälfte der Männer in der Marschkolonne sah sich nervös nach der verräterischen Staubwolke um, die das Heranrücken einer größeren Streitmacht ankündigte. In der sommerlichen Hitze war der Boden staubtrocken, und selbst eine kleinere Gruppe von Reitern hätte sich unweigerlich verraten. Sie konnten zwar nichts dergleichen erkennen, doch nach der harten Lektion, die sie vor Corfinium hatten lernen müssen, wagten sie nicht, aufzuhören, sich umzuschauen.
»Ahenobarbus! Wo steckst du?«, brüllte Brutus, als er sein Pferd gezügelt hatte. Seine dunklen Augen warfen einen flüchtigen Blick auf Seneca und wanderten dann weiter; Seneca war offensichtlich nicht maßgebend für ihn.
Seneca errötete und räusperte sich. Er konnte sich an diesen Mann erinnern, von den Verhandlungen in Cäsars’ Zelt her. Immer lag dieses spöttische Lächeln auf seinem Gesicht, und seine Augen hatten wohl mehr Krieg und Tod gesehen, als Seneca sich jemals vorstellen konnte. Auf dem edlen spanischen Wallach wirkte er Furcht einflößend, und Seneca spürte, wie sein Mund vor Angst trocken wurde.
»Ahenobarbus! Zeig dich endlich«, rief Brutus mit wachsender Ungeduld.
»Er ist nicht hier«, erwiderte Seneca.
Bei diesen Worten schnellte der Kopf des Generals herum, und er lenkte sein Pferd geschickt näher an ihn heran. Unter dem starren Blick des Mannes schwand Senecas Selbstvertrauen noch mehr. Er fühlte sich beurteilt und für ungenügend befunden, doch die Initiative schien ihm bereits in dem Moment entglitten zu sein, als sie den Reiter zum ersten Mal erblickt hatten.
»Ich kann mich nicht an dein Gesicht erinnern«, wies Brutus ihn so laut zurecht, dass jeder es hören konnte. »Wer bist du?«
»Livinus Seneca. Ich kann nicht …«
»Welchen Rang hast du, dass du diese Männer anführst?«
Seneca starrte ihn finster an. Aus dem Augenwinkel sah er, wie einige der Wachen die Köpfe zur Seite drehten, um seine Antwort nicht zu verpassen. Unwillkürlich lief er rot an. »Pompeius wird darüber urteilen, wie meine Treue belohnt wird«, setzte er zu einer Erklärung an. »Zurzeit …«
»Zurzeit hast du nur ein paar Stunden Vorsprung vor Cäsars Legionen, wenn er herausfindet, dass ihr die Unterkünfte verlassen habt«, schnappte Brutus. »Aufgrund meines Rangs als Heerführer Roms übernehme ich hiermit das Kommando. Also? In welche Richtung geht ihr?«
Seneca verlor nun doch die Beherrschung. »Ihr habt kein Recht, hier Befehle zu erteilen!«, schrie er. »Wir kennen unsere Pflicht, Herr, und wir werden nicht nach Rom zurückkehren. Reitet zurück in die Stadt, General. Ich habe keine Zeit, mich hier noch länger mit Euch zu streiten.«
Interessiert hob Brutus eine Augenbraue und beugte sich vor, um Seneca besser sehen zu können. »Ich gehe auch nicht nach Rom zurück«, sagte er leise. »Ich führe euch nach Griechenland, um für Pompeius zu kämpfen.«
»Ich lasse mich von Euch nicht überlisten, General. Nicht schon wieder! Ich habe Euch in Cäsars Zelt gesehen, mit Ahenobarbus. Wollt Ihr etwa behaupten, Ihr seid in einem einzigen Tag zum
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