Imperium
Natürlich war Townsend klar gewesen, daß es in Australien nur wenige Leute gab, die irgendein Interesse an Richard Armstrongs Werdegang hatten. Aber zweifellos würde der Artikel binnen weniger Tage auf den Schreibtischen sämtlicher Chefredakteure in der Fleet Street landen – und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bevor die Story den britischen Lesern gekürzt oder auch in voller Länge vorgesetzt würde. Keith hatte sich nur gefragt, welche Zeitung den Artikel wohl als erste brachte. Nun hatte er die Antwort: die Daily Mail.
Natürlich war Keith sich bewußt, daß Armstrong schnell dahinterkommen würde, wer für die Veröffentlichung des Artikels verantwortlich war – und das genoß er sogar noch mehr als die Story selbst. Ned Brewer, der Leiter seiner Londoner Niederlassung, hatte ihm vor kurzem erzählt, daß Artikel über Armstrongs Privatleben nicht mehr so häufig erschienen, seit die gerichtlichen Verfügungen wie Konfetti über die Tische der Redakteure herabrieselten.
Mit wachsendem Zorn hatte Townsend verfolgen müssen,
wie Armstrong die WRG zu einer starken Machtbasis in
Nordengland ausgebaut hatte. Doch er wußte auch sehr gut, wo Armstrongs tatsächliche Ziele lagen. Es war Keith gelungen, zwei Personen in Armstrongs Zentrale in der Fleet Street einzuschleusen, die ihm von jedem und allen berichteten, 432
denen ein Termin bei Armstrong zugesagt worden war. Der letzte Besucher, Derek Kirby, ein früherer Chefredakteur des Express, war von Armstrong überaus freundlich aus dem Büro geführt worden, den Arm kameradschaftlich um die Schulter.
Townsends Berater vermuteten, daß Kirby wahrscheinlich eine der Regionalzeitungen der WRG als Chefredakteur übernehmen würde. Townsend war da nicht so sicher und erteilte die Anweisung, daß man ihn umgehend benachrichtigen solle, falls Armstrong sich offenkundig für irgend etwas besonders interessierte.
Kate hatte Keith gefragt: »Ist die WRG wirklich so wichtig für dich?«
»Nein. Aber ein Mensch, der zu so gemeinen Tricks fähig ist und mit den Gefühlen anderer spielt, nur um seine schmutzigen Geschäfte zu machen, soll bekommen, was er verdient.«
Bis jetzt hatte man Townsend von Armstrongs sämtlichen Erwerbungen berichtet – von Stoke-on-Trerit bis Durham. Ihm gehörten nun neunzehn Lokal- und Regionalzeitungen, dazu fünf Grafschaftszeitschriften. Und zweifellos hatte Armstrong einen Coup gelandet, als er sich im Tausch gegen Vorzugsaktien seiner eigenen Gesellschaft fünfundzwanzig Prozent Beteiligung an der Lancashire Television und neunundvierzig Prozent am regionalen Rundfunksender an Land gezogen hatte.
Sein letzter Überraschungserfolg war die Gründung der London Evening Post. Doch Townsend wußte, was Armstrong
– genau wie er selbst – am meisten anstrebte: den Besitz einer landesweiten Tageszeitung.
Im Laufe der letzten vier Jahre hatte Townsend drei weitere australische Tageszeitungen erstanden sowie ein Sonntagsblatt und ein wöchentliches Nachrichtenjournal. Er hatte nun die Kontrolle über Zeitungen in jedem Bundesstaat Australiens, und es gab keinen Politiker oder Geschäftsmann im Lande, der sich nicht für Townsend Zeit genommen hätte, wenn der 433
Zeitungsmogul ihn anrief. Überdies war er im letzten Jahr ein gutes dutzendmal in den Vereinigten Staaten gewesen und hatte sich nach Städten umgeschaut, in denen die Haupt-arbeitgeber in der Stahl-, Kohle- oder Automobilbranche tätig waren; denn Keith hatte festgestellt, daß Unternehmen, die mit diesen kränkelnden Industriezweigen zu tun hatten, zugleich fast immer die Lokalzeitungen kontrollierten. Wenn er herausgefunden hatte, daß ein solches Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten steckte, griff er zu; auf diese Weise gelang es ihm häufig, die betreffende Zeitung rasch zu erwerben. In fast allen Fällen stellte er fest, daß der Personalstand seiner Neuanschaffung viel zu hoch war und daß kaufmännisch so ziemlich alles im argen lag. Es kam selten vor, daß im Vorstand irgend jemand Erfahrungen aus erster Hand besaß, was die Führung einer Zeitung anging. Indem Townsend einen Großteil der Arbeiter und Angestellten feuerte und die meisten Mitarbeiter in der Chefetage durch eigene Leute ersetzte, gelang es ihm meist schon nach wenigen Monaten, Gewinne zu erzielen und weitere Investitionen zu tätigen.
Durch diese Geschäftspraktiken war es Keith gelungen, neun städtische Zeitungen von Seattle bis North Carolina zu erstehen – und dies wiederum
Weitere Kostenlose Bücher