Imperium
sitzen und korrigierte weiter die Hausaufgaben.
»Keith Townsend«, meldete er sich.
»Guten Morgen, Keith. Hier Mike Adams.«
Keith kannte den Namen. Adams war der Verleger des
Sydney Morning Herold. Wie hatte er so schnell von dem fehlenden Geld erfahren können?
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»Ah, ja«, murmelte Keith. »Was kann ich für Sie tun?« Nur gut, daß Adams ihn nicht zittern sah.
»Ich habe soeben die letzte Ausgabe des St. Andy gelesen, vor allem Ihren Artikel, daß Australien eine Republik werden soll. Ich halte ihn für ausgezeichnet und möchte ihn ungekürzt für den SMH übernehmen – falls wir uns auf ein Honorar einigen können.«
»Der Artikel ist unverkäuflich«, antwortete Keith fest.
»Ich biete Ihnen 75 Pfund«, sagte Adams.
»Ich würde meinen Artikel nicht mal von Ihnen abdrucken lassen, wenn Sie mir…«
» Wieviel bieten würden?«
Eine Woche vor der Aufnahmeprüfung für Oxford kehrte Keith nach Toorak heim, um sich noch einmal von Miss Steadman examinieren zu lassen. Gemeinsam gingen sie alle nur
möglichen Fragen durch und lasen Musterantworten, die Miss Steadman vorbereitet hatte. Nur eines gelang ihr nicht: Sie konnte Keith nicht dazu bringen, entspannt zu sein. Doch er konnte Miss Steadman ja schwerlich anvertrauen, daß nicht die Prüfung der Grund für seine Nervosität war.
»Ich bin sicher, du bestehst«, versicherte Lady Townsend ihrem Sohn voller Zuversicht beim sonntäglichen Frühstück.
»Ich hoffe es«, murmelte Keith und dachte daran, daß
morgen im Sydney Morning Herold seine Sicht der Zukunft Australiens zu lesen sein würde. Doch es war auch jener Tag, an dem seine Aufnahmeprüfungen begannen; deshalb hoffte er, daß seine Eltern mit ihrer Standpauke wenigstens die nächsten zehn Tage warten würden. Und bis dahin, vielleicht…
»Na ja, falls es knapp wird«, unterbrach der Vater Keith’
Gedankengang, »wird dir sicher das Empfehlungsschreiben des Direktors nach deinem Erfolg bei der Spendensammlung
helfen. Ach ja, ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, daß deine Großmutter so beeindruckt von deinen Bemühungen ist, 137
daß sie in deinem Namen weitere 100 Pfund gespendet hat.«
Es war das erste Mal, daß Lady Townsend ihren Sohn
fluchen hörte.
Am Montagmorgen hatte Keith das Gefühl, so gut auf die Prüfung vorbereitet zu sein, wie es nur möglich war, und als er nach zehn Tagen die letzte schriftliche Arbeit abgab, war er beeindruckt, wie viele von den Fragen Miss Steadman
vorhergesehen hatte. Er wußte, daß er seine Sache in
Geschichte und Geographie gut gemacht hatte. Jetzt konnte er nur noch hoffen, daß der Prüfungsausschuß in Oxford die Klassiker nicht als wesentliches Kriterium für eine Aufnahme betrachtete.
Keith rief seine Mutter an. Er glaube, erklärte er ihr, so gut abgeschnitten zu haben, wie er nur hatte hoffen können; wenn er keinen Studienplatz in Oxford bekäme, läge es jedenfalls nicht daran, daß er Pech mit den Fragen gehabt habe.
»Das freut mich zu hören«, antwortete seine Mutter. »Aber ich kann dir nur einen guten Rat geben, Keith. Halte dich von deinem Vater lieber noch ein paar Tage fern.«
Das Gefühl der Leere nach Ende der Prüfungen war
unvermeidlich. Während Keith auf die Bekanntgabe der
Ergebnisse wartete, verbrachte er einen Teil seiner Zeit damit, die restlichen paar hundert Pfund an Spenden für den Pavillon zusammenzukratzen – auf der Rennbahn, wo er kleinere
Wetten mit seinem eigenen Geld abschloß, und bei einer Nacht mit der Frau eines Bankers, die schließlich 50 Pfund springen ließ.
Am letzten Mittwoch des Trimesters informierte Mr. Jessop seine Lehrerkollegen bei der wöchentlichen Sitzung, daß St.
Andrews die altehrwürdige Tradition fortsetzen würde, seine besten Schüler nach Oxford und Cambridge zu schicken und auf diese Weise die Verbindung mit diesen beiden angesehenen Universitäten aufrechtzuerhalten. Dann verlas er die Namen 138
der Schüler, die Studienplätze bekommen hatten:
Alexander, D. T. L.
Tomkins, C.
Townsend, K. R.
»Ein Stinker, ein Streber und ein Selbstdarsteller, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge«, murmelte der Direktor.
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MORGENAUSGABE
DEM SIEGER
DIE BEUTE
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DAILY MIRROR
7. Juni 1944
Erfolgreiche Landung der alliierten Truppen an der Küste der Normandie
Als Lubji Hoch dem Tribunal seine Geschichte erzählt hatte, blickten sie ihn nur ungläubig an. Entweder war er eine Art Übermensch oder ein pathologischer Lügner – sie konnten sich
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