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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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der Wand.
    Während der nächsten hundertzwanzig Minuten nahm John Player nur dann den Blick von dem Mädchen mit dem dunklem Lockenhaar, um des öfteren ungeduldig auf den Minutenzeiger der großen Wanduhr hinter ihr zu schauen. Er war froh, daß er gewartet und nicht vorgeschlagen hatte, später zurückzu-kommen; denn im Laufe dieser zwei Stunden sah er, wie sich mehrere andere Soldaten über den Tisch beugten und dem Mädchen offenbar die gleiche Frage stellten. Jedesmal blickte sie zu dem jungen Sergeanten, lächelte und schüttelte den Kopf. Als sie schließlich von einer Matrone mittleren Alters abgelöst wurde, ging sie zu Player herüber. Und nun war sie es, die ihm eine Frage stellte:
    »Was möchten Sie als erstes tun?«
    Das sagte er ihr lieber nicht; statt dessen erklärte er sich glücklich damit einverstanden, als sie vorschlug, ihm Paris zu zeigen.
    In den nächsten drei Tagen wich Player nur dann von

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    Charlottes Seite, wenn sie in den frühen Morgenstunden in ihr kleines Apartment zurückkehrte. Er fuhr den Eiffelturm hinauf, spazierte die Seineufer entlang, besuchte den Louvre und hielt sich an die meisten Ratschläge in der Broschüre, was zur Folge hatte, daß sie sich fast ständig in Gesellschaft von drei Regimentern unbeweibter Soldaten befanden, die ihren Neid nicht verbergen konnten, wenn sie Player mit Charlotte sahen.
    Sie speisten in überfüllten Restaurants, tanzten in Nacht-clubs, in denen es so eng war, daß sie sich fast auf der Stelle drehen mußten, und unterhielten sich über alles mögliche – nur nicht über den Krieg, der ihnen möglicherweise nur drei unvergeßliche Tage bescheren mochte. Beim Kaffee im Hotel Cancelier erzählte Player ihr von seiner Familie in Douski, die er seit vier Jahren nicht mehr gesehen hatte.
    Dann weihte er sie in alles ein, was er seit seiner Flucht aus der Tschechoslowakei erlebt hatte; nur die Nächte mit Mari ließ er aus. Charlotte erzählte ihm von ihrem Leben in Lyon, wo ihre Eltern einen kleinen Gemüseladen besaßen, und wie glücklich sie gewesen war, als die Alliierten ihr geliebtes Frankreich befreit hatten. Doch jetzt wünschte sie sich nur das Ende des Krieges.
    »Aber erst, wenn ich das Viktoriakreuz bekommen habe«, wehrte Player ab.
    Charlotte schauderte; sie hatte gelesen, daß viele Männer diese Tapferkeitsauszeichnung postum bekommen hatten.
    »Aber wenn der Krieg zu Ende ist«, fragte sie, »was wirst du dann tun?« Diesmal zögerte Player. Sie hatte schließlich doch eine Frage gefunden, auf die er keine Antwort parat gehabt hatte.
    »Nach England zurückkehren«, antwortete er schließlich,
    »wo ich es zu etwas bringen werde.«
    »Wie?«
    »Ganz bestimmt nicht, indem ich Zeitungen verkaufe.«
    Während dieser drei Tage und drei Nächte lagen die beiden 161
    nur wenige Stunden im Bett – die einzige Zeit, die sie getrennt verbrachten.
    Als Player Charlotte schließlich an der Tür ihres winzigen Apartments verließ, versprach er: »Sobald wir Berlin erobert haben, komme ich zurück.«
    Tränen liefen Charlotte über die Wangen, als der Mann davonschritt, den sie liebte; denn viele Freunde hatten sie gewarnt und behauptet, daß die Soldaten sich nie mehr sehen ließen, wenn sie erst weg waren. Und sie behielten recht: Einen John Player sollte Charlotte Reville nie mehr wiedersehen.

    Sergeant Player meldete sich wenige Minuten vor dem Appell zurück. Rasch rasierte er sich und wechselte sein Hemd, ehe er einen Blick auf den Tagesbefehl warf. Er las, daß er sich um neun Uhr beim Regimentskommandeur zu melden habe.
    Punkt neun marschierte er ins Büro des Kommandeurs,
    stand stramm und salutierte. Player fielen eine Menge Gründe dafür ein, weshalb der Kommandeur ihn hierher beordert haben mochte, doch keiner erwies sich als zutreffend.
    Der Colonel blickte von seinem Schreibtisch auf. »Tut mir leid, Player«, sagte er bedauernd, »aber Sie müssen das Regiment verlassen.«
    »Warum, Sir?« Player fiel aus allen Wolken. »Was hab’ ich mir zuschulden kommen lassen?«
    »Nichts«, entgegnete der Colonel lachend. »Gar nichts. Im Gegenteil. Meine Empfehlung, Sie zum Lieutenant zu
    befördern, wurde vom Oberkommando befürwortet. Deshalb ist Ihre Versetzung zu einem anderen Regiment erforderlich.
    Schließlich sollen Sie nicht den Befehl über Kameraden übernehmen, mit denen Sie gemeinsam im Mannschaftsrang gedient haben.«
    Sergeant Player schlug offenen Mundes die Hacken
    zusammen.
    »Ich halte mich damit lediglich an

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