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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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versnobt und aufgeblasen und lebte offenbar noch in der viktorianischen Ära. Entweder war man Offizier oder trug einen Rang oder Titel, oder man zählte nicht. Und da Keith aus den Kolonien kam, ließ man ihn nicht im Zweifel darüber, in welche Kategorie er fiel.
    Fast alle seine Kommilitonen kamen ihm wie jüngere
    Ausgaben von Mr. Jessop vor, und bereits nach einer Woche hätte er am liebsten seine Sachen gepackt und wäre sofort nach Hause zurückgekehrt, wäre da nicht sein Studienberater gewesen. Es hätte gar keinen größeren Unterschied geben können als den zwischen Dr. Howard und Keith’ altem
    Direktor. Dr. Howard überraschte es gar nicht, als der junge Australier ihm bei einem Glas Sherry in seinem Zimmer gestand, wie sehr er das britische Klassensystem verachte, das selbst die Studenten hier noch genüßlich zelebrierten. Dr.
    Howard enthielt sich sogar eines Kommentars über die Lenin-büste, die Keith in die Mitte des Kaminsims gestellt hatte, wo im vergangenen Jahr noch Lord Salisburys Platz gewesen war.
    Dr. Howard wußte freilich auch keine unmittelbare Lösung für das Klassenproblem. Tatsächlich war der einzige Rat, den er Keith erteilte, am Fresher’s Fair teilzunehmen, dem Informationstreffen für neue Studenten.
    Keith befolgte Dr. Howards Rat und erfuhr am nächsten 171
    Vormittag, weshalb anzuraten war, dem Ruderklub, der
    philatelistischen Gesellschaft und dem Ausbildungskorps für zukünftige Offiziere beizutreten; vor allem aber ließ man ihn wissen, weshalb er sich für die Studentenzeitung engagieren sollte. Nachdem Keith den frischernannten Redakteur des Cherwell und vor allem dessen Ansichten über die Aufgaben dieser Studentenzeitung kennengelernt hatte, beschloß er, sich lieber mit Politik zu beschäftigen. Er verließ das Fresher’s Fair mit Anmeldeformularen für die Oxford Union und den Labour Club.
    Am darauffolgenden Dienstag ging Keith ins Bricklayer’s Arms, wo der Wirt ihm den Weg die Treppe hinauf zu dem kleinen Zimmer wies, in dem der Labour Club seine Treffen abhielt.
    Der Vorsitzende des Clubs, Rex Siddons, begegnete dem
    »Genossen Keith« – er bestand von Anfang an darauf, ihn so anzureden – mit unverhohlenem Mißtrauen. Townsend hatte alles, was zu einem traditionellen Tory gehörte: einen geadelten Vater, eine private Schulausbildung, ein eigenes Konto, ja, sogar einen MG-Sportflitzer, wenngleich aus zweiter Hand.
    Doch im Laufe der Wochen, als die Mitglieder des Labour Club immer wieder Keith’ Ansichten über die Monarchie, die Privatschulen, die Verleihung von Ehrentiteln und das Elite-denken zu hören bekamen, wurde er für alle zu Genosse Keith.
    Einige Mitglieder nahm er nach den Treffen sogar mit auf sein Zimmer, wo sie bis in den frühen Morgen darüber diskutierten, wie sie die Welt verändern und das Commonwealth in seinen Grundfesten erschüttern würden, sobald sie erst aus diesem
    »schrecklichen Kaff« wie sie Oxford nannten, heraus waren.
    Während seines ersten Trimesters stellte Keith erstaunt fest, daß er nicht automatisch bestraft oder getadelt wurde, wenn er eine Vorlesung versäumte oder nicht zum Seminar erschien, bei dem er seinem Tutor seinen wöchentlichen Aufsatz

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    vorlesen sollte. Er brauchte mehrere Wochen, sich an dieses System zu gewöhnen, das ausschließlich auf Selbstdisziplin basierte. Und am Ende des Trimesters drohte sein Vater, ihm das Taschengeld zu sperren und ihn zu harter Arbeit nach Hause zurückzuholen, falls er sich nicht sofort auf den Hosenboden setzte.
    Während seines zweiten Trimesters schrieb Keith seinem Vater jeden Freitag einen langen Brief, in dem er ihm in allen Einzelheiten über die Arbeiten berichtete, die er im Laufe der Woche angeblich bewältigte. Das half immerhin, die Beschimpfungen und Drohungen einzudämmen. Hin und wieder erschien Keith tatsächlich bei einer Vorlesung – wo er sich darauf konzentrierte, ein Roulettesystem zu perfektionieren –
    und bei Tutorenkursen, wo er sich bemühte, nicht einzu-schlafen.
    Während des Sommertrimesters entdeckte Keith die
    Pferderennbahnen von Cheltenham, Newmarket, Ascot,
    Doncaster und Epsom, was dazu führte, daß er nie genug Geld hatte, sich ein neues Hemd oder auch nur ein Paar Socken leisten zu können.
    In den Ferien mußte er mehrere seiner Mahlzeiten im
    Bahnhof einnehmen, der wegen seiner Nähe zu Worcester von einigen Studenten als die College-Mensa betrachtet wurde.
    Eines Nachts, als Keith im Bricklayer’s Arms etwas zu viel

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