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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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getrunken hatte, schmierte er auf die altehrwürdige, im achtzehnten Jahrhundert errichtete Mauer der Worchester-Universität: C’est magnifique, mais ce nestpas la gare – der Schuppen ist toll, aber es ist nicht der Bahnhof.
    Am Ende seines ersten Jahres hatte Keith für die zwölf Monate, die er auf der Universität zugebracht hatte, nur sehr wenig vorzuweisen – außer einer kleinen Gruppe Gleich-gesinnter, die entschlossen waren, das System zugunsten der schweigenden Mehrheit umzustürzen, sobald man sie erst auf die Gesellschaft losgelassen hatte.

    173
    Keith’ Mutter, die regelmäßig schrieb, riet ihm, seine Ferien zu nutzen und in Europa herumzureisen, da er diese Chance vielleicht nie wieder bekommen würde. Da Keith diese Idee gefiel, machte er sich sogleich daran, eine Route auszuarbeiten
    – und er wäre tatsächlich gereist, hätte er nicht zufällig bei einem Drink im nahen Pub den Nachrichtenredakteur der Oxford Mail kennengelernt.

    Liebe Mutter,
    ich habe Deinen Brief mit den Vorschlägen bekommen, was ich während der Ferien unternehmen sollte. Eigentlich wollte ich Deinem Rat folgen und die französische Küste
    entlangfahren, vielleicht bis Deauville – aber dann hat der Nachrichtenredakteur der Oxford Mail mir die Chance geboten, Berlin zu besuchen.
    Er möchte, daß ich vier längere Artikel über das Leben im besetzten Deutschland schreibe. Von Berlin soll ich weiter nach Dresden reisen, um über den Wiederaufbau der Stadt zu berichten. Für jeden Artikel bekomme ich bei Abgabe zwanzig Guinees. Meiner düsteren finanziellen Lage wegen – meine Schuld, nicht Deine – hat Berlin den Vorzug vor Deauville bekommen.
    Falls es in Deutschland so was wie Ansichtskarten gibt, werde ich Dir welche mitsamt den Kopien der vier Artikel schicken, damit Dad sie lesen kann. Vielleicht interessiert der Courier sich ja dafür.
    Schade, daß wir uns diesen Sommer nicht sehen.
    Alles Liebe
    Keith

    Kaum hatten die Ferien begonnen, machte Keith sich auf denselben Weg wie viele andere Studenten: Er fuhr mit seinem MG nach Dover und setzte mit der Fähre nach Calais über.
    Doch während die anderen die Fähre verließen, um ihre Reise 174
    durch die historischen Städte des Kontinents anzutreten, lenkte Keith seinen kleinen Flitzer mit dem Faltdach in Richtung Berlin. Das Wetter meinte es so gut, daß er das Verdeck zum erstenmal offenlassen konnte.
    Während Keith über die kurvenreichen Straßen Frankreichs und Belgiens fuhr, wurde er ständig daran erinnert, wie wenig Zeit vergangen war, seit in Europa der Krieg getobt hatte.
    Überall erblickte er verwüstete Hecken und Felder, wo statt Traktoren Panzer gefahren waren; er sah Bauernhäuser, die an der Frontlinie gelegen hatten und durch Bomben und Granaten zerstört worden waren, und Flüsse, die voll waren von achtlos zurückgelassener, zerstörter Ausrüstung und militärischem Gerät. Während Keith an immer mehr ausgebombten Häusern vorbei und durch Meilen um Meilen verwüsteter Landschaft fuhr, dachte er mit wachsendem Bedauern an Deauville mit seinen Kasinos und Rennbahnen.
    Als es zu dunkel wurde, den Löchern in den Straßen
    auszuweichen, bog Keith in einen einsamen Feldweg ein, parkte den Wagen an der Fahrbahnseite und schlief sofort tief und fest ein. Noch im Dunkeln weckte ihn der Motorenlärm von Militärfahrzeugen, die schwerfällig in Richtung deutsche Grenze fuhren. Keith notierte sich: »Die Armee steht offenbar auf, ohne den Lauf der Sonne zu berücksichtigen.« Er mußte den Zündschlüssel ein paarmal drehen, ehe der Motor sich anzuspringen bequemte. Keith rieb sich die Augen, wendete den MG und fuhr auf die Straße zurück. Gerade noch
    rechtzeitig erinnerte er sich daran, daß er hier rechts fahren mußte.
    Nach zweistündiger Fahrt erreichte er die Grenze und reihte sich in eine lange Schlange ein. Jeder, der nach Deutschland wollte, wurde peinlichst genau überprüft. Schließlich war Keith an der Reihe. Ein Grenzbeamter schaute sich seinen Reisepaß an. Als er feststellte, daß Keith Australier war, machte er lediglich eine bissige Bemerkung über Donald Bradman und 175
    winkte ihn weiter.
    Nichts, was Keith gehört oder gelesen hatte, hätte ihn auf die Zustände in einem besiegten Land vorbereiten können. Er kam zusehends langsamer voran, da die Schlaglöcher hier noch tiefer waren und sich manchmal gar mit Bombentrichtern messen wollten. Bald wurde es unmöglich, mehr als hundert Meter weit zu kommen, ohne dabei so fahren

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