Imperium
zeigte er sich höchst erfreut über den Erfolg seines Proteges und gewährte der gesamten Belegschaft einen dreitägigen Sonderurlaub.
Bestimmt gab es niemanden, der sich mehr darüber freute als Charlotte. Seit sie in Berlin war, hatte sie Dick kaum einen Tag vor Mitternacht gesehen, und meist war er morgens bereits aus dem Haus, ehe sie erwachte. An diesem Freitag aber erschien er unerwartet schon am Nachmittag, noch dazu mit einem geliehenen Mercedes. Nachdem die leicht ramponieren Koffer des Ehepaares im Wagen verstaut waren, fuhren sie nach Lyon, um ein langes Wochenende mit Charlottes Familie zu verbringen.
Es beunruhigte Charlotte, daß Dick in Berlin anscheinend nicht imstande war, länger als ein paar Minuten einmal nicht an die Arbeit zu denken; um so dankbarer war sie, daß es in dem kleinen Haus in Lyon kein Telefon gab. Am Samstagabend ging die ganze Familie ins Kino und schaute sich David Niven in Die perfekte Ehe an. Am nächsten Morgen begann Dick, sich einen Schnurrbart wachsen zu lassen.
Kaum war Captain Armstrong zurück in Berlin, befolgte er den Rat des Colonels und baute ein Verbindungsnetz mit nützlichen Kontakten in allen Sektoren auf – was enorm beschleunigt wurde, wenn die Leute erfuhren, daß Dick eine Tageszeitung mit einer Auflage in Millionenhöhe (wie er behauptete) 203
herausgab.
Fast alle Deutschen, mit denen Dick zu tun hatte, schlossen aus seinem selbstbewußten Auftreten, daß er einen Generals-rang bekleidete; alle anderen ließ er nicht im Zweifel darüber, daß er die Unterstützung der höchsten Militärs besaß, auch wenn er kein General war. Er sorgte dafür, daß bestimmte Stabsoffiziere regelmäßig im Telegraf erwähnt wurden – mit der Folge, daß sie seine Materialanforderungen fast immer genehmigten, so unverschämt sie auch sein mochten. Überdies nutzte Dick den Vorteil, durch die Zeitung für sich selbst Werbung machen zu können. Da er seine eigenen Beiträge veröffentlichen konnte, wurde er in einer Stadt, in der es von anonymen Uniformträgern nur so wimmelte, zu einer
Berühmtheit.
Drei Monate, nachdem Armstrong seinen ersten Besuch bei Arno Schultz gemacht hatte, erschien Der Telegraf regelmäßig sechs Tage die Woche, und Dick konnte Colonel Oakshott melden, daß die Auflage die Zweihunderttausendmarke
überschritten habe; wenn es so weitergehe, erklärte er, würden sie sogar ihren größten Konkurrenten, den Berliner, bald hinter sich lassen. Der Oberst sagte bloß: »Sie leisten hervorragende Arbeit, Dick.« Ihm war nicht ganz klar, worin Armstrongs Arbeit eigentlich bestand, doch war ihm nicht entgangen, daß die Spesen des jungen Captains auf mehr als zwanzig Pfund die Woche gestiegen waren.
Dick erzählte Charlotte vom Lob des Colonels. Doch
wenngleich er sich merklich darüber freute, spürte Charlotte, daß ihn sein Job bereits zu langweilen begann. Der Telegraf hattenun fast so hohe Verkaufszahlen wie Der Berliner. Die Stabsoffiziere in den drei Westsektoren freuten sich stets, Captain Armstrong in ihren Clubs begrüßen zu dürfen –
schließlich brauchte man ihm bloß irgendeine Neuigkeit ins Ohr zu flüstern, wenn man wollte, daß sie am nächsten Tag in der Zeitung stand. Dies hatte zur Folge, daß Dick stets über 204
einen Vorrat an kubanischen Zigarren verfügte, Charlotte und Sally an Nylonstrümpfen, und Peter Wakeham an Gordon’s Gin; selbst die Verkaufsburschen des Telegraf hatten so viel Wodka und Zigaretten, daß sie nebenbei auf dem Schwarz-markt damit handeln konnten.
Dennoch war Dick unzufrieden, da es mit seiner eigenen Karriere offenbar nicht weiterging. Obwohl oft genug von einer Beförderung die Rede gewesen war, schien in dieser Stadt nichts daraus zu werden; es gab hier viel zu viele Majors und Colonels, von denen die meisten bloß herumsaßen und darauf warteten, daß man sie nach Hause schickte.
Dick sprach mit Charlotte über die Möglichkeit, nach
England zurückzukehren – vor allem, seit Großbritanniens neugewählter Premierminister, Clement Attlee, die Soldaten ersucht hatte, so rasch wie möglich heimzukommen, da viele unbesetzte Posten und Stellen auf sie warteten. Trotz ihres beinahe luxuriösen Lebens in Berlin schien Charlotte von dieser Idee angetan zu sein und ermutigte Dick, seine baldige Entlassung aus der Armee zu beantragen. Am nächsten Tag ersuchte er um ein Gespräch mit dem Colonel.
»Möchten Sie das wirklich?« fragte Oakshott. »Sind Sie sicher?«
»Jawohl, Sir«, antwortete
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