Imperium
Hitlers Machtübernahme mußte er seine Anteile an einen Arier verkaufen. Er hat eine Abmachung mit seinem Freund Klaus Lauber getroffen und überließ ihm die Aktien zu einem Spottpreis. – Ich muß folgendes wissen, Sally: Erstens, gehören die Anteile immer noch Lauber? Zweitens, wenn ja, ist er noch am Leben? Und drittens, falls er noch lebt – wo, zum Teufel, steckt er? Sag bitte kein Wort darüber, Sally. Auch nicht zu Lieutenant Wakeham.«
Sally brauchte drei Tage, um die Bestätigung zu erhalten, daß Major Klaus Otto Lauber beim allierten Kontrollrat als Besitzer des Telegraf registriert war.
»Aber lebt er noch?« fragte Armstrong.
»Und ob«, erwiderte Sally. »Zur Zeit sitzt er in Wales fest.«
»Wie bitte?« sagte Armstrong erstaunt. »Wie ist das
möglich?«
»Major Lauber befindet sich in einem Internierungslager in der Nähe von Bridgend, seit er vor drei Jahren als Angehöriger von Feldmarschall Rommels Afrikakorps gefangengenommen wurde.«
»Was konnten Sie sonst noch herausfinden?« fragte
Armstrong.
»Das war’s schon«, erwiderte Sally. »Ich fürchte, der Major hatte keinen schönen Krieg.«
»Gut gemacht, Sally. Aber ich möchte gern noch mehr
wissen. Versuchen Sie, alles über Lauber in Erfahrung zu bringen – wirklich alles. Geburtsdatum, Geburtsort, Aus-bildungsgang, persönliche Dinge. Und dann möchte ich gern wissen, wie lange er im Arbeitsministerium tätig war, und wie 208
es dann mit ihm weiterging – bis zu dem Tag, als man ihn in Bridgend interniert hat. Ich brauche jede Information, mag sie noch so unbedeutend erscheinen. Es gibt genug Leute, die uns einen Gefallen schulden. Spannen Sie diese Leute ein. Den anderen versprechen Sie einfach das Blaue vom Himmel. So, ich gehe jetzt zu Oakshott. Gibt’s sonst noch was?«
»Ein junger Journalist von der Oxford Mail würde gern ein Interview mit Ihnen führen. Er wartet schon über eine Stunde.«
»Vertrösten Sie ihn auf morgen.«
»Aber er hat Sie schriftlich um einen Termin ersucht, und Sie hatten sich einverstanden erklärt, ihm ein Interview zu geben.«
»Vertrösten Sie ihn auf morgen«, wiederholte Armstrong.
Sally kannte diesen Tonfall, und nachdem sie Mr. Townsend losgeworden war, legte sie alles andere zur Seite und machte sich an die Nachforschung über das nicht sonderlich
bemerkenswerte Leben des Klaus Lauber.
Private Benson fuhr Armstrong zur Wohnung des
kommandierenden Offiziers auf der entgegengesetzten Seite des britischen Sektors.
»Sie kommen wirklich mit den seltsamsten Anliegen«, sagte Colonel Oakshott, nachdem Dick ihm alles erläutert hatte.
»Und Sie werden feststellen, Sir, daß dadurch – auf Dauer gesehen – die Beziehungen zwischen den Besatzungsmächten und den Einwohnern Berlins weiter verbessert werden
können.«
»Ich weiß ja, Dick, daß Sie von diesen Dingen viel mehr verstehen als ich, aber in diesem Fall will ich gar nicht erst daran denken, wie unsere hohen Herren reagieren.«
»Vielleicht sollten Sie diese Herren darauf hinweisen, Sir, daß es sich als erfolgreicher Beitrag zur Imagepflege erweisen könnte, wenn wir den Deutschen zeigen, daß unsere
Kriegsgefangenen – Ehemänner, Söhne und Väter – von den 209
Briten gerecht und anständig behandelt werden. Vor allem, wenn man bedenkt, wie die Nazis im Vergleich dazu mit den Juden verfahren sind.«
»Ich werde tun, was ich kann«, versprach der Colonel. »Wie viele Lager möchten Sie besichtigen?«
»Ich würde sagen, vorerst nur eines«, antwortete Armstrong.
»Und sollte mein erster Versuch sich als erfolgreich erweisen, kommen in absehbarer Zukunft vielleicht noch zwei oder drei hinzu.« Er lächelte. »Ich hoffe, das wird den ›hohen Herren‹
einige von ihren Ängsten nehmen.«
»Haben Sie ein bestimmtes Lager im Auge?« erkundigte
sich der Colonel.
»Der Nachrichtendienst hat mich darauf aufmerksam
gemacht, daß eines sich für diesen Zweck besonders eignet. Es befindet sich nur wenige Meilen außerhalb von Bridgend.«
Um die Genehmigung für Captain Armstrongs Ersuchen zu bekommen, brauchte der Colonel ein wenig länger, als Sally benötigte, um alles über Klaus Lauber herauszufinden, was es herauszufinden gab. Immer wieder las Dick ihre Notizen, um sich die bestmögliche Strategie zurechtzulegen.
Lauber war 1896 in Dresden geboren. Er hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen und es bis zum Hauptmann gebracht.
Nach Kriegsende bekam er eine Anstellung im Arbeits-
ministerium in Berlin.
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