Imperium
Obwohl er der Reserve angehörte, wurde er im Dezember 1942 als Major zur Wehrmacht
eingezogen und in Nordafrika als Chef einer Einheit eingesetzt, die Brücken baute; kurz darauf wurde er Chef einer anderen Einheit, die diese Brücken wieder zerstörte. Im März 1943
wurde er bei der Schlacht von El-Agheila gefangengenommen und per Schiff nach England gebracht. Zur Zeit befand er sich in einem Internierungslager in der Nähe von Bridgend. In Laubers Personalakte im Kriegsministerium in Whitehall fand sich keinerlei Erwähnung, daß er Anteile am Telegraf besaß.
210
Als Armstrong die Notizen noch einmal studiert hatte, stellte er Sally eine Frage. Sie schaute rasch im Berliner Offiziershandbuch nach und nannte ihm drei Namen.
»Hat einer dieser Männer im King’s Own oder bei den
North Staffs gedient?« fragte Armstrong.
»Nein«, antwortete Sally, »aber einer ist bei der königlichen Schützenbrigade, die dasselbe Offizierskasino besucht wie wir.«
»Gut«, murmelte Dick, »das ist unser Mann.«
»Übrigens«, warf Sally ein, »was soll ich mit dem jungen Journalisten von der Oxford Mail tun?«
Dick überlegte kurz. »Sagen Sie ihm, ich mußte in den amerikanischen Sektor, und daß ich versuchen werde, mich irgendwann morgen mit ihm zu treffen.«
Es war ungewöhnlich, daß Armstrong im britischen
Offizierskasino aß; denn bei seinem Einfluß und der Freiheit, sich überall in der Stadt aufzuhalten, war er in jedem Offizierskasino jedes Sektors willkommen. Und wenn es ums Essen ging, war man am besten beraten, sich im französischen Sektor aufzuhalten, sofern man – wie Dick – die Möglichkeit dazu hatte. Doch an diesem Dienstagabend betrat Captain Armstrong kurz nach achtzehn Uhr die eigene Messe und fragte den Corporal, der an der Bar bediente, ob er einen Captain Stephen Hallet kenne.
»O ja, Sir«, antwortete der Corporal. »Captain Hallet kommt für gewöhnlich gegen achtzehn Uhr dreißig. Er ist übrigens von der Rechtsabteilung«, fügte er hinzu. Aber das wußte
Armstrong natürlich längst.
Er blieb an der Bar sitzen, nippte einen Whisky und behielt den Eingang im Auge. Immer, wenn ein Offizier hereinkam, blickte Dick den Corporal fragend an, der aber jedesmal den Kopf schüttelte – bis ein hagerer, vorzeitig kahl werdender Mann, um dessen Körper selbst die engste Uniform
geschlottert hätte, die Bar ansteuerte. Er bestellte einen Tom 211
Collins, und der Corporal nickte Armstrong unmerklich zu.
Dick ging zur Bar und nahm auf einem Hocker neben dem Hageren Platz.
Er machte sich mit Hallet bekannt und erfuhr ziemlich schnell, daß der es kaum erwarten konnte, aus der Armee entlassen zu werden, um nach Lincoln’s Inn Fields zurückzukehren und seine Karriere als Anwalt fortzusetzen.
»Ich werde mal sehen, ob ich da ein bißchen nachhelfen kann«, sagte Armstrong, obwohl er wußte, daß er auf die zuständige Abteilung keinerlei Einfluß ausüben konnte.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, alter Junge«, bedankte sich Hallet. »Lassen Sie’s mich wissen, falls ich mich revanchieren kann.«
»Sollen wir einen Happen essen?« schlug Armstrong vor. Er rutschte von seinem Hocker und führte den Anwalt an einen ruhigen Tisch für zwei Personen in einer Ecke.
Nachdem sie das Tagesmenü bestellt hatten, bat Armstrong den Corporal, eine Flasche von seinem privaten Wein zu bringen. Dann schnitt er ein Thema an, bei dem er Hallets Rat benötigte, wie er dem Anwalt erklärte.
»Ich verstehe die Probleme, die einige Deutsche haben, nur zu gut.« Armstrong schenkte seinem Gesprächspartner ein.
»Weil ich Jude bin.«
»Sie überraschen mich«, gestand Hallet. »Aber, wenn ich es recht bedenke, Captain Armstrong«, fügte er hinzu, während er am Weinglas nippte, »stecken Sie voller Überraschungen.«
Armstrong blickte ihn eindringlich an, entdeckte jedoch keinerlei Anzeichen von Ironie. »Vielleicht könnten Sie mir bei einem interessanten Fall helfen, der kürzlich auf meinem Schreibtisch gelandet ist.«
»Nur zu gern, falls es mir möglich ist«, versicherte Hallet.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Armstrong hatte sein Weinglas noch nicht angerührt. »Es würde mich interessieren, wie die Rechtslage für einen deutschen Juden aussieht, wenn er 212
vor dem Krieg Firmenanteile an einen Arier verkauft hat. Kann er diese Anteile zurückfordern, wo der Krieg nun zu Ende ist?«
Der Anwalt überlegte und wirkte ein wenig verblüfft. »Nur wenn die Person, welche die Anteile
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