Imperium
Dick. »Jetzt, da alles wie am Schnürchen läuft, ist Schultz durchaus imstande, die Zeitung ohne meine Unterstützung weiterzuführen.«
»Wenn Sie meinen. Ich werde versuchen, den Vorgang zu beschleunigen.«
Einige Stunden später hörte Armstrong zum erstenmal den Namen Klaus Lauber – und nahm dies zum Anlaß, den
Vorgang wieder zu verzögern.
Als Dick am Vormittag dieses Tages die Druckerei aufsuchte, berichtete ihm Schultz, daß sie zum erstenmal mehr Exemplare verkauft hatten als Der Berliner ,und daß es vielleicht 205
angebracht wäre, sich zu überlegen, ob sie nicht auch ein Sonntagsblatt herausbringen sollten.
»Ich wüßte nicht, was dagegen spricht«, entgegnete Dick ein wenig gelangweilt.
»Ich wünschte nur, wir könnten den gleichen Preis wie vor dem Krieg verlangen.« Schultz seufzte. »Bei unseren
Verkaufszahlen könnten wir riesige Gewinne machen. Sie können es sich vielleicht nicht vorstellen, aber damals war ich ein wohlhabender, erfolgreicher und angesehener Mann.«
»Bald werden Sie’s vielleicht wieder sein«, meinte
Armstrong. »Und schneller, als Sie glauben«, fügte er hinzu und blickte durch das schmutzige Fenster auf den Bürgersteig, über den Scharen deprimiert aussehender Passanten schlurften.
Er wollte Schultz gerade erklären, daß er die Absicht habe, ihm die alleinige Verantwortung für den Telegraf zuüberlassen und nach England zurückzukehren, als der Deutsche erklärte: »Ich bin mir nicht sicher, ob das jemals wieder möglich ist.«
»Wieso nicht?« Armstrong blickte ihn verwundert an. »Der Zeitungsverlag gehört Ihnen, und jeder weiß, daß in Kürze einige Beschränkungen aufgehoben und auch deutsche
Staatsbürger wieder Hauptaktionäre werden können.«
»Das mag ja sein, Captain Armstrong, aber bedauerlicherweise gehören mir keine Anteile der Gesellschaft mehr.«
Armstrong stutzte und wählte seine Worte mit Bedacht.
»Tatsächlich? Warum haben Sie die Anteile verkauft?« Er blickte weiterhin aus dem Souterrainfenster.
»Ich habe sie nicht verkauft«, erwiderte Schultz. »Ich mußte sie abgegeben.«
»Ich fürchte, das verstehe ich nicht ganz.« Armstrong drehte sich zu ihm um.
»Eigentlich ist es ganz einfach. Nach der Machtergreifung hat Hitler ein Gesetz erlassen, das Juden den Besitz von Zeitungsverlagen untersagte. Also war ich gezwungen, meine Anteile jemandem zu überschreiben.«
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»Und wem gehört Der Telegraf jetzt?«erkundigte sich Armstrong.
»Meinem alten Freund Klaus Lauber«, antwortete Schultz.
»Er war Beamter im Reichsarbeitsministerium. Wir hatten uns vor vielen Jahren in einem hiesigen Schachklub kennengelernt, wo wir dienstags und freitags zusammen spielten – was wir übrigens auch nicht mehr durften, nachdem Hitler an die Macht gekommen war.«
»Aber wenn Lauber ein so guter Freund war, müßte er jetzt doch in der Lage sein, Ihnen die Anteile zurückzuverkaufen.«
»Ja, das wäre wohl möglich. Schließlich hat er nur einen nominellen Betrag dafür bezahlt – mit der mündlichen
Vereinbarung, daß er mir die Anteile nach dem Krieg zurück überschreibt.«
»Ich bin sicher, er wird sein Wort halten, wenn er so ein guter Freund war«, meinte Armstrong.
»Das würde er ganz bestimmt, doch während des Krieges haben wir uns der politischen Verhältnisse wegen aus den Augen verloren. Das letzte Mal habe ich Lauber im Dezember 1942 gesehen. Wie viele andere Deutsche wurde er zum
namenlosen Teil einer Statistik.«
»Aber Sie müssen doch wissen, wo er gewohnt hat«, sagte Armstrong und schlug sich mit seinem Offiziersstock leicht auf die Wade.
»Seine Familie wurde nach den ersten schweren
Bombenangriffen aus Berlin evakuiert. Seit damals habe ich nichts mehr von Lauber gehört. Weiß der Himmel, wo er jetzt ist«, fügte Schultz mit einem Seufzer hinzu.
Dick gelangte zu der Ansicht, daß er nun alle Information besaß, die er brauchte. »Was ist mit dem Artikel über die Eröffnung des neuen Flughafens?« wechselte er das Thema.
»Wir haben bereits einen Fotografen dort. Ich hab’ mir gedacht, ich schicke noch einen Reporter, wegen der
Interviews…«, erwiderte Schultz gehorsam, doch Armstrong 207
war mit den Gedanken schon woanders. Kaum saß er wieder an seinem Schreibtisch, beauftragte er Sally, beim alliierten Kontrollrat anzurufen und festzustellen, wem Der Telegraf gehörte.
»Ich dachte immer, er gehört Arno«, sagte Sally verwundert.
»Ich auch. Aber das ist offenbar nicht der Fall. Kurz nach
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