Imperium
Marmortreppe hinauf und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück. Keith ging in die Küche, wo Florrie ein leichtes Mittagessen zubereitete. Er deckte ein Tablett mit ein paar Happen und brachte es zu seiner Mutter hinauf. Bevor er eintrat, klopfte er behutsam. Lady Townsend rührte sich nicht, als Keith das Tablett vor ihr abstellte. Er küßte sie auf die Stirn, drehte sich um und ließ sie wieder allein. Dann machte er einen langen Spaziergang auf dem Grundstück, wobei er dieselben Wege einschlug, die er so oft mit seinem Vater entlangspaziert war. Ihm war klar, daß er nun, da die Beerdigung vorüber war, das eine Thema anschneiden mußte, dem sie bislang ausgewichen waren.
Lady Townsend kam kurz vor zwanzig Uhr herunter, und
gemeinsam begaben sie sich ins Eßzimmer. Wieder sprach sie von Keith’ Vater und wiederholte im wesentlichen, was sie bereits am Abend zuvor gesagt hatte. Dabei stocherte sie lustlos in ihrem Essen herum. Nachdem der Hauptgang abgeräumt war, stand sie plötzlich auf und ging ins Wohnzimmer.
Als sie sich an ihren gewohnten Platz am Kamin gesetzt hatte, blieb Keith kurz stehen, ehe er im Sessel seines Vaters 218
Platz nahm. Nachdem das Hausmädchen ihnen Kaffee gebracht hatte, beugte Lady Townsend sich vor, wärmte sich die Hände und stellte endlich die langerwartete Frage.
»Was hast du nun vor, Keith, jetzt, wo du wieder in
Australien bist?«
»Als erstes werde ich morgen mit dem Chefredakteur des Courier reden. Es gibt da einige Änderungen, die rasch vorgenommen werden müssen, wenn wir den Age jemals überholen wollen.« Er wartete auf die Antwort seiner Mutter.
»Keith«, sie blickte ihn an, »ich sage es dir nicht gern, aber der Courier gehört uns nicht mehr.«
Keith war wie vom Donner gerührt. Er brachte kein Wort hervor.
Seine Mutter wärmte sich weiter die Hände am Kamin.
»Wie du weißt, hat dein Vater alles mir vererbt, und für mich sind Schulden, gleich welcher Art, schon immer unerträglich gewesen. Vielleicht, wenn er dir die Zeitungen vermacht hätte…«
»Aber, Mutter…«, begann Keith.
»Vergiß nicht, daß du fast fünf Jahre fort warst, Keith. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch ein Schuljunge, der widerstrebend an Bord der SS Stranthedan ging. Ich konnte nicht sicher sein, ob du…«
»Vater hätte bestimmt nicht gewollt, daß du den Courier verkaufst. Es war die erste Zeitung, die er herausgegeben hat.«
»Und sie ist von Woche zu Woche tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Als die Kenwright-Gruppe mir die Chance bot, mich ohne jegliche Verbindlichkeiten von dem Blatt zu trennen, hat der Vorstand mir geraten, das Angebot anzunehmen.«
»Aber du hast mir nicht die Chance geboten, einen Umschwung herbeizuführen. Ich weiß sehr wohl, daß die Auflagenhöhe beider Zeitungen in den letzten Jahren gesunken ist. Deshalb habe ich an einem Plan gearbeitet, etwas dagegen zu unternehmen – ein Plan, dem Vater über kurz oder lang 219
zugestimmt hätte.«
»Ich fürchte, du wirst deinen Plan nicht mehr brauchen«, erklärte Lady Townsend. »Sir Colin Grant, der Vorstandsvorsitzende des Adelaide Messenger, hat mir ein Angebot von hundertfünfzigtausend Pfund für die Gazette gemacht. Unser Vorstand wird dieses Angebot bei der nächsten Sitzung wahrscheinlich annehmen.«
»Warum sollten wir die Gazette verkaufen?« Keith starrte seine Mutter ungläubig an.
»Weil wir bereits seit Jahren einen hoffnungslosen
Konkurrenzkampf mit dem Messenger führen, und weil uns ihr Angebot unter den gegebenen Umständen sehr großzügig
erscheint.«
Keith stand auf und trat vor seine Mutter hin. »Ich bin nicht nach Hause gekommen, um die Gazette zu verkaufen, Mutter.
Ganz im Gegenteil. Irgendwann will ich den Messenger übernehmen.«
»Dieser Gedanke ist bei unserer derzeitigen finanziellen Lage völlig unrealistisch, Keith. Der Vorstand würde niemals seine Zustimmung erteilen.«
»Zur Zeit vielleicht nicht. Aber wenn unser Umsatz erst einmal höher ist als der des Messenger, dürfte die Sache anders aussehen.«
»Du ähnelst deinem Vater sehr, Keith.« Lady Townsend
blickte zu ihm auf.
»Bitte, gib mir die Chance, zu beweisen, was ich kann«, bat Keith. »Du wirst feststellen, daß ich in meiner Volontärszeit in der Fleet Street eine ganze Menge gelernt habe. Und ich bin nach Hause gekommen, um dieses Wissen zu unserem Nutzen einzusetzen.«
Lady Townsend blickte eine Zeitlang ins Feuer, ehe sie antwortete: »Sir Colin hat mir neunzig Tage
Weitere Kostenlose Bücher