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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Kracht
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mildernde Wort bitte erspare sich Solf). Nur einige Tropfen gelangten noch aus dem Duschkopf hinunter auf des Gouverneurs Haupt, das er mit einer wohlriechenden, gleichwohl leicht ätzenden Haarseife schaumig gerieben hatte, dann versiegte das Wasser, und Hahl stand halb erblindet und triefend in der Gouverneursdusche; den Anflug eines Wutausbruchs unterdrückend, besann er sich darauf, was denn nun eigentlich genau zu tun sei.
    Des Abends segelten Engelhardt und Lützow zurück nach Kabakon; unter einem orangerot verglühenden Himmel schwiegen sie einander an, jedoch nicht so, als sei man unter Freunden und brauche sich deshalb ein paar Stunden nichts zu erzählen, sondern im Bewußtsein, etwas sei zerbrochen und könne nun nicht mehr zusammengefügt werden. Ein paar Male versuchte Lützow, den Bann zu brechen und durch einen poetischen Ausruf, die verzauberten Wolkenkaskaden betreffend, das Lächeln seines Freundes wiederzugewinnen, aber Engelhardt wollte nichts davon wissen, ja hörte jede noch so en passant formulierte Bemerkung über den Verlauf des Besuchs in Rabaul als pedantischen, an ihn gerichteten, enervierenden Rat.
    Nachdem das Eiland erreicht war, verbat er sogar, daß sich sein Freund ans Klavier setze, verzog sich auf sein Bett und starrte, kaum erfüllte das sonore Schnarchen des Virtuosen ihr gemeinsames Haus, noch lange Stunden an seinem Daumen saugend hinauf an die Decke, ganz ohne etwas zu denken, dann aber wieder derart in einen bestimmten Gedanken festgebissen, daß dieser sich, einem flammenden Menetekel gleich (oder aber Ouroboros, jener Schlange, die versucht, ihren eigenen Schwanz zu verzehren), über das gesamte Dasein der Welt und über den allumspannenden, unendlich ausgedehnten Kosmos legte.
    Er sah wieder jenes Feuerrad, welches ihm seine Mutter als kleiner Junge gezeigt, und als es, um die eigene Achse rotierend, über ihm an der Decke des Hauses erschien und er kein Kissen besaß, das er sich auf die Augen hätte drücken können, verbarg er stöhnend vor Furcht das Gesicht in den Händen. Tiere erschienen ihm dann, gewaltige, dem Genius Malignus anverwandte Tiere, deren Anblick so unsagbar grauenvoll war, daß er sich vor Entsetzen zusammenkrümmte, kümmerlich Schutz suchend in den dunkelsten Ecken seiner Existenz. Tiere, deren schauderhafte Namen er sich zu nennen scheute, abscheuliche Wesen, die Hastur und Azathoth genannt wurden und ihm zischend zuflüsterten, die Menschheit sei eine unbedeutende, belanglose, vollends nichtige Lappalie im Universum, deren Schicksal es sei, zu erscheinen und wieder zu vergehen, unbemerkt und unbeweint. Lützow, der dergleichen überhaupt nicht verstanden hätte, schlief, schlief und erwachte auch dann nicht, als Engelhardt sich kurz vor der Dämmerung über ihn beugte und überlegte, wie er ihn nur töten könne, ohne ihn aufzuwecken.
     
    DRITTER TEIL
     
    X
     
    Während sich Kapitän Christian Slütter durch die letzten, immer noch wütend schäumenden Ausläufer eines Julisturms kämpft, der die Brecher der Salomonensee unentwegt auf das Deck seines von rostigen Beulen überzogenen Frachtschiffes, der S. S. Jeddah, hat schlagen lassen, besteigt Max Lützow in aller Früh dieselbe kleine Barkasse, mit der er vor fast einem Jahr nach Kabakon gekommen ist. Beide Schiffe dampfen unweigerlich aufeinander zu. Das Zentrum des Zyklons indes ist zweihundert Seemeilen nordwärts vorbeigezogen. Slütter hat in Apia zweihundert Kisten französischen Branntwein gelöscht, die er in Sydney unter widrigen Umständen an Bord genommen hat, und fährt nun Küchengerätschaften, Messer, Äxte, Pfannen und Töpfe nach Neupommern hinauf.
    Lützow hingegen hat eines Morgens vor Sonnenaufgang seine Tasche gepackt, im Gehen das Klavier sanft mit den Fingerspitzen berührt und ist, noch bevor Engelhardt erwacht ist, zum Strand hinuntergelaufen, um sich vom unergründlich in sich hineinlächelnden Makeli zur Barkasse hinausrudern zu lassen, die jenseits der Lagune auf ihn wartet.
    Dem heimlichen Abschied ist am Abend zuvor ein furchtbarer Streit vorausgegangen. Engelhardt war davon überzeugt gewesen, sein Kamerad habe ihm die Schere gestohlen, die er einst selbst unachtsam verlegt hatte. Während eines auf dem Dach trommelnden Regenschauers, bei dem die Mücken den beiden so lästig wurden, daß sie sich mit einer dicken Schicht Kokos-Öl eingerieben und mehrere Kokosfaserfeuer entzündet hatten, hatte Engelhardt, als sich eine gewisse Ausweglosigkeit der Situation

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